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Tom Thorne 10 - Tödlicher Verdacht

Tom Thorne 10 - Tödlicher Verdacht

Titel: Tom Thorne 10 - Tödlicher Verdacht
Autoren: Mark Billingham
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Zeugenstand, wäre es schwierig gewesen, den Polizisten vom Mörder zu unterscheiden.
    Beide trugen einen Anzug und schienen sich darin unwohl zu fühlen. Beide hielten sich einigermaßen still und starrten die meiste Zeit geradeaus. Beide wirkten ziemlich gefasst, und obwohl nur einer von ihnen sprach, vermittelten beide den Eindruck, wenn man ihren Gesichtsausdruck länger als nur ein paar Augenblicke forschend betrachtete, dass hinter der Fassade unerschütterlicher Gelassenheit eine Menge vor sich ging.
    Beide wirkten gefährlich.
    Der Mann im Zeugenstand war deutlich jenseits der vierzig: stämmig und rundschultrig, mit dunklem Haar, das auf einer Seite etwas stärker ergraut war als auf der anderen. Er sprach langsam und achtete darauf, bei seiner Aussage nicht mehr als nötig zu sagen, wobei er seine Worte sorgfältig wählte, ohne diese Sorgfalt wie Unsicherheit oder Zögern aussehen zu lassen.
    »Und für Sie bestand kein Zweifel daran, dass Sie es mit einem Mord zu tun hatten?«
    »Nicht der geringste Zweifel.«
    »Sie haben ausgesagt, der Angeklagte habe ›entspannt‹ gewirkt, als er erstmals befragt wurde. Veränderte sich sein Verhalten, als Sie ihn nach seiner Verhaftung verhörten?«
    Während Detective Inspector Tom Thorne die fünf verschiedenen Befragungen beschrieb, die er bei dem Beschuldigten durchgeführt hatte, gab er sich alle Mühe, seinen Blick unablässig auf den Anklagevertreter zu richten. Das gelang ihm jedoch nicht ganz. Zwei- oder dreimal sah er kurz zur Anklagebank hinüber und bemerkte, dass Adam Chambers ihn fixierte – mit ausdruckslosen Augen und unverwandtem Blick. Einmal sah er für ein paar Sekunden zu den Besucherplätzen hinauf, wo die Angehörigen der jungen Frau saßen, die Chambers ermordet hatte. Er sah die Hoffnung und die Wut in den Gesichtern von Andrea Keanes Eltern. Die Hände, die Hände anderer umklammerten oder zitternd in Schößen lagen und zusammengeknüllte feuchte Taschentücher umschlossen.
    Thorne sah eine Gruppe von Menschen, die in ihrer Trauer und in ihrem Zorn vereint waren und für die Gerechtigkeit – sollte sie zu ihrer Genugtuung geübt werden – echt und unverfälscht sein würde. Gerechtigkeit für ein achtzehnjähriges Mädchen, an dessen Tod für Thorne nicht der geringste Zweifel bestand.
    Obwohl seine Leiche nie gefunden wurde.
    »Inspector Thorne?«
    Seine Stimme blieb ruhig, als er seine Zeugenaussage beendete, indem er Daten und Uhrzeiten, Namen und Orte wiederholte: jene Details, von denen er hoffte, dass sie in der Erinnerung der Geschworenen nachklingen würden; dass sie sich als ebenso wirksam erweisen würden wie jene kostbaren und belastenden blonden Haare, wie die Lügen, bloßgelegt von einer Mobiltelefon-Verbindungsübersicht, und wie das lächelnde Gesicht eines Mädchens auf einem Foto, das wenige Tage vor seiner Ermordung aufgenommen worden war.
    »Vielen Dank, Inspector. Sie dürfen den Zeugenstand verlassen.«
    Thorne steckte sein Notizbuch wieder in die Tasche seines Jacketts und trat aus dem Zeugenstand. Er ging langsam zur Hintertür des Gerichtssaals und ließ dabei eine Fingerspitze über die kleine gerade Narbe an seinem Kinn wandern. Sein Blick wanderte ebenfalls, als er sich der Gestalt auf der Anklagebank näherte.
    Er dachte:
    Ich will dich nie mehr sehen …
    Ich meine nicht in Person, das sowieso nicht, weil du Gott sei Dank hinter Gittern sitzen wirst, bis du alt und grau bist. Wo du dich ständig umsehen und das Gefühl haben wirst, dass sich dein schlaues Hirn in Brei verwandelt. Wo du dich von Männern fernhalten wirst, die dich, ohne lange zu fackeln, aufschlitzen würden, weil du sie schief angeschaut hast. Weil du bist, wie du bist. Ich will dich nachts nicht sehen müssen. Will nicht, dass du rumhängst, wo du nicht erwünscht bist, und mich belästigst. Will nicht, dass sich deine arrogante Fresse und dein heiseres »kein Kommentar« in meine Träume drängen …
    Als Thorne an der Anklagebank vorbeiging, wandte er Adam Chambers das Gesicht zu. Er blieb für ein oder zwei Sekunden stehen. Suchte Chambers’ Blick und hielt ihm stand.
    Dann blinzelte er.
    Thorne fuhr mit Detective Sergeant Samir Karim zurück nach Hendon. Karim war bei diesem Fall für die Beweiskette und für die Sicherung der Hauptbeweisstücke verantwortlich.
    Eine Haarbürste. Ein Mobiltelefon. Ein Glas mit Andrea Keanes Fingerabdrücken.
    Es war ein typischer Februartag, der für Thorne damit begonnen hatte, dass er seine
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