Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Titel: Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley
Autoren: Patricia Highsmith
Vom Netzwerk:
Cappuccinos abgesetzt und das Kassenzettelchen zwischen ihnen unter die Zuckerschale geklemmt hatte. »Sie schrieb ihm ständig, wollte ihn sehen, und gleichzeitig, davon bin ich überzeugt, hat sie Taktgefühl gezeigt, hat durchblicken lassen, daß sie sich ihm nicht aufdrängen wollte, wenn er allein zu sein wünschte. Er hat mir das alles erzählt, als ich ihn in Rom besuchte. Er sagte nach dem Miles-Mord, ihm sei überhaupt nicht danach zumute, sich mit Marge zu treffen, und er fürchtete, sie könnte aus Mongibello heraufkommen nach Rom, wenn sie erführe, in welchen Schlamassel er verwickelt war.«
    »Warum war er Ihrer Meinung nach so nervös nach dem Miles-Mord?« McCarron nahm einen Schluck Kaffee, zuckte zusammen, weil er so heiß war oder so bitter, und rührte mit dem Kaffeelöffel um.
    Tom erklärte es. Sie seien sehr enge Freunde gewesen, und Freddie sei nur wenige Minuten, nachdem er sich von Dickie verabschiedet hatte, umgebracht worden.
    »Halten Sie es für möglich, daß Richard Freddie umgebracht hat?« fragte McCarron ruhig.
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Weil er gar keinen Grund hatte, ihn umzubringen - wenigstens nicht, daß ich wüßte.«
    »Gewöhnlich bekommt man zur Antwort, der Sowieso sei nicht der Typ, der einen Menschen tötet«, sagte McCarron. »Halten Sie Richard für einen Menschen, der jemanden töten könnte?«
    Tom zögerte, er durchforschte sich ernsthaft nach der Wahrheit. »Darüber habe ich nie nachgedacht. Ich weiß nicht, welcher Menschentyp dazu neigt, jemanden umzubringen. Ich habe ihn wütend erlebt . . .«
    »Wann?«
    Tom beschrieb die beiden Tage in Rom, als Dickie, wie er sagte, wütend und verbittert war wegen der Polizeiverhöre, als er tatsächlich aus seiner Wohnung auszog, um den Telephonanrufen von Freunden und Fremden zu entfliehen. Tom verknüpfte dies noch mit einer steigenden Verbitterung Dickies darüber, daß er mit seiner Malerei nicht so vorangekommen war, wie er es sich vorgestellt hatte. Er stellte Dickie als einen eigenwilligen, stolzen jungen Mann hin, der seinen Vater fürchtete und deshalb entschlossen war, dessen Wünsche zu mißachten, als einen ziemlich launischen Burschen, der Fremden gegenüber genauso großzügig sein konnte wie zu seinen Freunden, der aber wechselnden Stimmungen unterworfen war - von der Vergnügungssucht bis zum grämlichen Einsiedlertum. Er faßte es zusammen mit den Worten, Dickie sei ein ganz gewöhnlicher junger Mann, der sich in der Vorstellung gefiele, er sei außergewöhnlich. »Wenn er sich das Leben genommen hat«, schloß Tom, »dann meiner Meinung nach deshalb, weil er an sich selber bestimmte Fehler entdeckt hat, Unzulänglichkeiten. Ich kann in Dickie viel eher einen Selbstmörder sehen als einen Mörder.«
    »Aber ich bin nicht restlos sicher, daß er Freddie Miles nicht doch umgebracht hat. Sie?«
    McCarron meinte es vollkommen ernst. Da gab es für Tom keinen Zweifel. McCarron erwartete jetzt sogar von ihm, daß er Dickie verteidigte, denn sie waren ja Freunde gewesen. Tom spürte, wie ein Teil seiner Angst von ihm wich, aber doch nur ein Teil, es war, als schmelze in seinem Innern irgend etwas langsam dahin. »Sicher bin ich nicht. Aber ich glaube einfach nicht, daß er es getan hat.«
    »Auch ich bin nicht sicher. Aber damit wäre doch eine ganze Menge erklärt, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte Tom. »Alles.«
    »Nun, ich fange ja gerade erst an mit der Arbeit«, sagte McCarron mit optimistischem Lächeln. »Ich habe mir noch nicht einmal die Akten in Rom angesehen. Wahrscheinlich werde ich Sie noch einmal sprechen wollen, wenn ich in Rom gewesen bin.«
    Tom starrte ihn an. Es schien vorbei zu sein. »Sprechen Sie Italienisch?«
    »Nein, nicht sehr gut, aber ich kann es lesen. Französisch kann ich besser, aber ich werde schon zurechtkommen«, sagte McCarron, es klang, als hielte er das nicht für so wichtig.
    Es war wichtig, dachte Tom. Er konnte sich nicht vorstellen, wie McCarron nur durch den Mund eines Dolmetschers all das aus Roverini herausholen wollte, was er über den Fall Greenleaf wußte. Auch wäre McCarron nicht imstande, herumzulaufen und mit den Leuten zu plaudern, zum Beispiel mit Dickie Greenleafs Hausmeisterin in Rom. Es war äußerst wichtig. »Ich habe vor ein paar Wochen hier in Venedig mit Roverini gesprochen«, sagte Tom. »Bitte grüßen Sie ihn von mir.«
    »Gern.« McCarron trank seinen Kaffee aus. »Sie kennen ihn doch, was meinen Sie, wohin könnte Dickie am ehesten gegangen sein,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher