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Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Titel: Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley
Autoren: Patricia Highsmith
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wie sie schließlich durchbrach, um bis Mittag ein paar strahlende Stunden zu schenken, und dieser stille Tagesbeginn jeden Morgen war wie das Versprechen auf eine friedliche Zukunft. Die Tage wurden wärmer. Es gab mehr Licht und weniger Regen. Der Frühling stand vor der Tür, und an einem solchen Morgen, an einem noch schöneren Morgen würde er das Haus verlassen und ein Schiff nach Griechenland besteigen.
    Am Abend des sechsten Tages nach der Abreise Mr. Greenleafs und McCarrons rief Tom in Rom an. Mr. Greenleaf hatte nichts Neues zu berichten, aber Tom hatte ja auch nichts erwartet. Marge war nach Haus gefahren. Solange Mr. Greenleaf in Italien war, dachte Tom, würde die Presse jeden Tag irgend etwas über den Fall bringen. Aber den Zeitungen gingen die Sensationen aus, was den Fall Greenleaf betraf.
    »Und wie geht es Ihrer Frau?« fragte Tom.
    »Es geht. Ich glaube, es nimmt sie trotz allem mit. Gestern abend habe ich wieder mit ihr gesprochen.«
    »Das tut mir leid«, sagte Tom. Er sollte ihr eigentlich einmal einen netten Brief schreiben, dachte er, nur eine freundliche Zeile, solange Mr. Greenleaf weg war und sie allein ließ. Er wünschte, er hätte schon eher daran gedacht.
    Mr. Greenleaf sagte, er würde wohl Ende der Woche abreisen, via Paris, wo die französische Polizei ebenfalls noch auf der Suche war. McCarron käme mit, und wenn in Paris nichts vorläge, dann führen sie beide heim. »Mir ist klar - jedem ist klar, daß er entweder tot ist oder sich absichtlich nicht meldet«, sagte Mr. Greenleaf. »Es gibt keinen Winkel mehr auf dieser Erde, in dem nicht bekanntgeworden wäre, daß er gesucht wird. Außer Rußland vielleicht. Mein Gott, hat er denn je in seinem Leben dafür Vorliebe gezeigt?«
    »Für Rußland? Nicht, daß ich wüßte.«
    Anscheinend hatte Mr. Greenleaf sich jetzt zu der Einstellung durchgerungen, daß Dickie entweder tot sei oder zum Teufel mit ihm. Bei diesem Telephongespräch hatte Tom den Eindruck, daß das Zum-Teufel-mit-ihm überwog.
    Am gleichen Abend ging Tom noch hinüber zu Peter Smith-Kingsley. Peter hatte von seinen Bekannten ein paar englische Zeitungen geschickt bekommen, die eine brachte ein Bild von Tom, wie er den ›Oggi‹-Photographen aus dem Hause warf. Tom hatte es auch schon in italienischen Zeitungen gesehen. Bilder von ihm auf den Straßen Venedigs und Bilder von seinem Haus waren auch nach Amerika gelangt. Bob und auch Cleo hatten ihm per Luftpost Bilder und Berichte aus amerikanischen Zeitschriften geschickt. Sie fanden das alles schrecklich aufregend.
    »Ich habe die Nase voll davon«, sagte Tom. »Ich sitze hier nur herum aus lauter Höflichkeit und um vielleicht zu helfen, wenn ich kann. Wenn noch mehr Reporter versuchen, mein Haus zu stürmen, dann werde ich sie mit Pulver und Blei empfangen, sowie sie die Schwelle betreten!« Er war richtig erbost und aufgebracht, und es schwang in seiner Stimme mit.
    »Ich verstehe das vollkommen«, sagte Peter. »Ich fahre Ende Mai nach Hause, wissen Sie. Wenn Sie Lust haben mitzukommen und bei mir in Irland zu bleiben, sind Sie mir mehr als willkommen. Es ist dort sterbenslangweilig, das kann ich Ihnen versichern.«
    Tom schaute ihn an. Peter hatte ihm von seinem alten irischen Schloß erzählt und hatte ihm auch Bilder davon gezeigt. Eine Empfindung, die er aus seiner Beziehung zu Dickie kannte, durchzuckte ihn wie der Gedanke an einen Alptraum wie ein bleicher, böser Geist. Das kam daher, daß genau dasselbe auch mit Peter passieren könnte, mit Peter, dem aufrechten, arglosen, naiven, generösen guten Jungen - nur daß er Peter nicht so ähnlich sah. Allerdings hatte er neulich abends zu Peters Unterhaltung einen englischen Akzent angenommen und hatte Peters Gesten imitiert, die Art, wie er beim Sprechen seinen Kopf ruckartig zur Seite warf, und Peter hatte es herrlich komisch gefunden. Er hätte das nicht machen sollen, dachte Tom jetzt. Jetzt schämte er sich zutiefst, schämte sich dieses Abends und der Tatsache, daß er auch nur für einen Augenblick daran gedacht hatte, daß mit Peter das gleiche geschehen könnte, was mit Dickie geschehen war.
    »Danke«, sagte Tom. »Ich bleibe lieber noch ein bißchen allein. Ich vermisse meinen Freund Dickie, wissen Sie. Ich vermisse ihn entsetzlich.« Plötzlich war er den Tränen nahe. Er konnte sich noch an Dickies Lächeln erinnern, damals an jenem ersten Tage, als sie anfingen, sich zu verstehen, als er Dickie gebeichtet hatte, daß er von seinem Vater
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