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Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Titel: Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley
Autoren: Patricia Highsmith
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Fingerabdrücken ab. Das würden sie doch nicht tun, wenn sie sicher wären, daß Dickie die Koffer selber aufgegeben hat. Warum sollte er sie unter dem Namen Fanshaw deponieren, wenn er doch damit rechnet, sie selbst wieder abzuholen? Sogar sein Paß ist dabei. Er hat seinen Paß eingepackt!«
    »Vielleicht verbirgt er sich unter dem Namen Fanshaw! Oh, caro mio, Sie brauchen einen Schluck Tee!« Titi stand auf. »Giustina! II tè, per piacere, subitissimo!«
    Kraftlos sank Tom auf das Sofa nieder, noch immer hielt er die Zeitung aufgeschlagen in den Händen. Wie war das mit dem Knoten an Dickies Leiche? War es ihm nicht einfach bestimmt, daß der sich jetzt löste?
    »Ah, carissimo, Sie sind zu pessimistisch«, sagte Titi und tätschelte sein Knie. »Das sind gute Nachrichten! Wenn nun alle Fingerabdrücke von ihm sind? Wären Sie dann nicht zufrieden? Stellen Sie sich vor, morgen, wenn Sie durch irgendeine kleine Gasse Venedigs gehen, stehen Sie plötzlich Angesicht in Angesicht Dickie Greenleaf alias Signor Fanshaw gegenüber!« Sie stieß ihr schrilles, heiteres Lachen aus, das zu ihr gehörte wie ihr Atem.
    »Es heißt hier, daß die Koffer alles enthalten - Rasierzeug, Zahnbürste, Schuhe, Mantel, die vollständige Ausrüstung«, sagte Tom, seinen panischen Schrecken hinter Düsterkeit verbergend. »Es kann nicht sein, daß er lebt und sich von dem allen getrennt hat. Der Mörder muß die Leiche ausgeraubt und die Sachen hier deponiert haben, weil das der einfachste Weg war, sich ihrer zu entledigen.«
    Das ließ Titi für eine Weile verstummen. Dann sagte sie: »Sie sollten doch nicht so mutlos sein, bevor Sie nicht wissen, was mit den Fingerabdrücken ist. Morgen wollen Sie sich auf eine Vergnügungsreise begeben! Ecco, il tè.«
    Übermorgen, dachte Tom. Reichlich Zeit für Roverini, sich seine Fingerabdrücke zu besorgen und sie mit denen auf den Gemälden und an den Koffern zu vergleichen. Er versuchte sich zu erinnern, wo es glatte Flächen gegeben hatte, von denen man Fingerabdrücke nehmen konnte, auf den Bilderrahmen und auf den Sachen in den Koffern. Viele waren es nicht, außer an den Gegenständen im Rasieretui, aber natürlich konnten sie genügend Abdrücke finden, bruchstückweise und verwischt, um zehn einwandfreie Fingerabdrücke zusammenzusetzen, wenn sie sich Mühe gaben. Sein einziger Anlaß zum Optimismus war der, daß sie seine Fingerabdrücke noch nicht hatten und daß sie vielleicht nicht danach fragen würden, weil er noch nicht unter Verdacht stand. Aber was, wenn sie irgendwoher schon Dickies Fingerabdrücke hatten? Würde nicht Mr. Greenleaf als allererster Dickies Fingerabdrücke aus Amerika herüberschicken, zum Vergleich? Es gab zahllose Möglichkeiten, Dickies Fingerabdrücke zu besorgen: auf bestimmten Gegenständen in Amerika, die ihm gehört hatten, in dem Haus in Mongibello . . .
    »Tomaso! Trinken Sie Ihren Tee!« sagte Titi und preßte wieder sanft sein Knie.
    »Danke!«
    »Sie werden sehen. Dies ist zumindest ein Schritt auf dem Wege zur Wahrheit, zu dem, was wirklich passiert ist. Lassen Sie uns jetzt von etwas anderem sprechen, wenn Sie das so unglücklich macht! Wohin fahren Sie von Athen aus?«
    Er bemühte sich, seine Gedanken auf Griechenland zu konzentrieren. Für ihn war Griechenland vergoldet, mit dem Gold an den Harnischen der Helden und dem Gold der berühmten Sonne Griechenlands. Er sah Marmorstatuen mit ruhigen, starken Gesichtern, wie die Frauengestalten an der Säulenhalle des Erechtheions. Er mochte nicht nach Griechenland fahren, solange das Damoklesschwert der Fingerabdrücke von Venedig über ihm schwebte. Es würde ihn erniedrigen. Er würde sich fühlen wie die gemeinste Ratte, die durch die Abwässerkanäle Athens huschte, niedriger als der schmutzigste Bettler, der sich ihm in den Straßen von Saloniki näherte. Tom legte das Gesicht in seine Hände und weinte. Griechenland war hinüber, zerplatzt wie ein goldener Luftballon.
    Titi legte ihren festen, drallen Arm um ihn. »Tomaso, Kopf hoch! Warten Sie doch ab, bis Sie wirklich Grund haben für diese Niedergeschlagenheit!«
    »Ich sehe wirklich nicht ein, wieso Sie nicht einsehen wollen, daß dies ein schlechtes Zeichen ist!« sagte Tom verzweifelt. »Das sehe ich absolut nicht ein!«

30
    Das allerschlechteste Zeichen war, daß Roverini, der ihm bisher immer so nette und klare Nachrichten geschickt hatte, überhaupt nichts von sich hören ließ wegen der Koffer und der Bilder, die in Venedig
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