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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
Autoren: Henry Fielding
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Gelüsten beibrachte. Dies waren die Reize, von welchen er es nicht wohl verdauen konnte, daß solche sein Sohn der Tochter der Madame Miller aufgeopfert hätte.
    Die beiden neu verheirateten Frauen waren alle beide sehr hübsch; aber so völlig wurden sie von Sophiens Schönheit verdunkelt, daß, wären es nicht beide die gutmütigsten Geschöpfe von der Welt gewesen, es ihren Neid erregt haben würde; denn keiner von ihren Ehemännern konnte lange die Augen von Sophie abwenden, welche am Tische saß wie eine Königin, die sich huldigen läßt, oder vielmehr, wie ein überirdisches Wesen, welches von allen um sich her Verehrung annimmt. Allein es war eine Verehrung, die man freiwillig darbrachte und die sie nicht forderte: denn sie unterschied sich eben so sehr durch ihre Bescheidenheit und Leutseligkeit, als durch alle ihre Vollkommenheiten.
    Der Abend wurde in großer, wahrer Fröhlichkeit hingebracht. Alle waren glücklich und vergnügt; diejenigen aber am meisten, die vorher am unglücklichsten gewesen waren. Ihre vergangnen Leiden und Besorgnisse erhöhten die Süßigkeit des Genusses ihrer Glückseligkeit zu einem solchen Grade, als selbst Liebe und Ueberfluß in ihrer höchsten Fülle, ohne den Vorteil einer solchen Vergleichung, nicht zu geben vermocht hätten. Wie gleichwohl große Freude, hauptsächlich nach einer plötzlichen Veränderung und Verwandlung der Umstände, gerne stumm ist, und lieber im Herzen, als auf der Zunge ihren Sitz nimmt, so schienen auch Jones und Sophie unter allen in der Gesellschaft am wenigsten munter zu sein. Western, der dieses mit großer Ungeduld bemerkte, rief ihnen oft zu: »Warum schwatzest du nicht, Junge? Was sitz'st d' da, und machst Kalender? – Hast' dein' Zung' verlor'n, Mädchen? Trink' noch 'n Glas Wein! Komm, sollst noch 'n Glas Wein trinken!« Und, um sie desto besser aufzumuntern, stimmte er zuweilen ein lustiges Liedlein an, worin etwas von Brautnacht und verlornen Jungferschaften vorkam. Ja, er würd' es mit dieser Art Witz so weit getrieben haben, daß er sie aus dem Zimmer gejagt hätte, wenn ihn nicht Herr Alwerth zuweilen mit seinen Blicken und ein paarmal mit einem: »Pfui doch, Herr Nachbar!« wieder ins Gleis gebracht hätte. Endlich fing er wirklich an, sich zu sträuben, und sein Recht zu behaupten, mit seiner eignen Tochter zu sprechen, was ihm gut däuchte; weil ihm aber niemand Beifall geben wollte, so war er bald zum Stillschweigen gebracht.
    Ungeachtet des kleinen Zwangs, den er sich anthun mußte, war er doch mit der Fröhlichkeit und muntern Laune der Gesellschaft [308] so vergnügt, daß er darauf bestand, sie sollten des nächsten Tags in seiner Behausung alle wieder zusammenkommen. Das thaten sie; und die liebenswürdige Sophie, welche nunmehr in aller Stille ebenfalls getraut war, machte die Wirtin vom Hause oder wie die vornehmere Redensart lautet, machte die Honneurs der Tafel. Sie hatte des Vormittags Herrn Jones ihre Hand gegeben, in einer kleinen Kapelle, woselbst niemand, als Herr Alwerth, Herr Western und Madame Miller zugegen gewesen.
    Sophie hatte ihren Vater ernstlich gebeten, daß niemand anders von der Gesellschaft, welches des Mittags zu Tische gebeten war, von ihrer Trauung etwas erfahren möchte. Dieselbige Verschwiegenheit war auch heute Madame Miller auferlegt, und Jones verbürgte sich für Herrn Alwerth. Dies versöhnte einigermaßen Sophiens Delikatesse mit der öffentlichen Mahlzeit, die sie sich, sehr wider ihre eigene Neigung, aus bloßer Nachgiebigkeit gegen den Willen ihres Vaters, gefallen lassen mußte. In Zuversicht auf diese Geheimhaltung hielt sie sich den Tag über ziemlich tapfer, bis der Junker, der nun schon ziemlich tief in seine zweite Flasche gesehen hatte und seine Freude nicht länger an sich halten konnte, ein volles Glas einschenkte, und die Gesundheit der jungen Ehefrau ausbrachte. Auf diese Gesundheit ward unmittelbar von allen Gegenwärtigen Bescheid gethan, zur großen Verwirrung unsrer armen errötenden Sophie, und zum großen Leidwesen des armen Jones, ihretwegen. Die Wahrheit zu sagen, erfuhr durch diese Entdeckung keine Seele von der ganzen Gesellschaft etwas neues; denn Madame Miller hatte es ihrer Tochter ins Ohr geraunt, die Tochter ihrem Gatten, dieser seiner Schwester, und diese Dame allen übrigen.
    Sophie nahm jetzt die erste Gelegenheit wahr, sich mit den Frauenzimmern hinweg zu begeben, und der Junker saß fest bei seinen Flaschen und Gläsern, wobei ihn die ganze Gesellschaft nach
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