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Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)

Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)

Titel: Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)
Autoren: A. G. Stoll
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bis sie durch den Rost gefallen waren. Dann legte sie Kohlebriketts auf die übrig gebliebene Glut und benutzte den Blasebalg, um sie schneller zum Brennen zu bringen.
    Im Anschluss kontrollierte sie die Wassermenge, füllte ein wenig nach und wartete ungeduldig. Zum Zeitvertreib spann sie an ihrem Lieblingstraum weiter: dem von der Freiheit. Sobald sie volljährig war, würde sie auswandern und Gustav und Madame für alle Zeiten hinter sich lassen. Seit Jahren träumte sie von dem Tag, an dem sie in einem Luftschiff über das Meer Richtung Westen fliegen würde. Auf dem dort liegenden Kontinent gab es einen neu gegründeten Staat, Neuanglia, in dem sie leben wollte.
    Endlich setzen sich die Kolbenstangen in Bewegung. Die altersschwache Apparatur schepperte und klapperte, als wolle sie gegen die Kraftanstrengung protestieren. Der Hausmeister rührte sich immer noch nicht, doch Kate hatte jetzt Wichtigeres zu erledigen.
    Sie ging zu dem Mann und gab ihm einen letzten Stoß.
    »Die Maschine läuft. Sobald Ihr aufstehen könnt, solltet Ihr nachlegen und den Dampfdruck kontrollieren.«
    Albert schnaubte. »Lass mich in Ruhe und verschwinde.«
    Kate tat ihm den Gefallen und hoffte, dass er ihrem Vorschlag folgen würde.
    Sie eilte in die Küche zurück, denn ihr Magen knurrte bereits wieder. Da die Köchin ihr heute offensichtlich nur den Morgenbrei zugestand, musste sie hungern oder sich erfinderisch zeigen. Die Frau verwahrte alles Essen in Schränken und sicherte diese mit schweren Schlössern. Kate kam zwar nicht an die Schlüssel, doch gab es eine andere Möglichkeit. Sie zog die Schublade mit den Messern auf und wählte eines aus, mit dem sonst die Gelenke des Schlachtviehs zerteilt wurden. Mit der dünnen, aber festen Klinge hebelte sie beim Wurstschränkchen nach und nach die Drehbolzen aus den beiden Scharnieren. Nun ging die Tür auf der falschen Seite auf, hing nur noch an dem Schloss, und sie kam an den Schrankinhalt. Sie nahm sich eine der hinteren Würste und stahl zwei der handtellergroßen Fleischpasteten, wobei sie die restlichen so umsortierte, dass der Verlust hoffentlich nicht auffiel.
    Das Essen verstaute sie in ihrer Schürzentasche und drückte die Scharniere in die ursprüngliche Stellung zurück. Der Messergriff eignete sich hervorragend dazu, die Bolzen wieder einzuschlagen. Ein abschließender Blick zeigte ihr nichts Verdächtiges, was sie in Schwierigkeiten bringen würde.
    Mit sich zufrieden lief Kate die Treppe hinauf. Wie ihr Zimmer lag auch das Labor in Richtung des Hinterhofs.
    Hier war es längst nicht so ausgekühlt wie in ihrem zugigen Schlafzimmer. Sie setzte sich auf einen der Arbeitshocker und genoss die Pasteten und die Wurst. Die Köchin verstand ihr Handwerk. Zu schade, dass sie ihr dies nicht sagen konnte, ohne sich zu verraten. Als sie fertig war, fegte sie die Krümel mit einem Strohbesen zusammen und verbarg sie unter dem Laborabfall.
    Jetzt machte sie sich daran, ihren Aufgabenzettel abzuarbeiten, den ihr Gustav hingelegt hatte. Da sie bereits gestern angefangen hatte, Madames spezielle Asthmapillen herzustellen, sollte der Rest leicht von der Hand gehen. Diese Mischung enthielt einiges mehr an Arsen, als die Ursprungsrezeptur vorschrieb. Sie schüttete Wasser auf das sorgfältig verriebene Pulver und verknetete die entstehende Masse. Dann fertigte sie einen langen, nicht einmal fingerdicken Strang daraus und legte ihn auf das Pillenbrett. Ein wenig Druck mit dem dazu passenden Holz und er wurde in kleine Stückchen zerteilt, die sie mit dem Pillendreher zu Kugeln formte. Zum Abschluss stäubte sie Bärlappsporen darauf und ließ die Pillen auf der Ablage trocknen. Gustav verpackte und beschriftete sie morgen selbst, sodass ihr Anteil an der Arbeit erledigt war.
    Nun nahm sie sich den Auftrag vor, Quecksilbersalbe gegen Hautparasiten anzufertigen. Gustav belieferte etliche Apotheken mit Arzneimitteln und diese Quälgeister kamen häufig vor, weshalb die angeforderte Menge meist groß ausfiel. Geschickt klickte sie die Salbenmaschine in das bis ins Labor reichende Zahnradsystem der Dampfmaschine ein. Sofort begannen die Porzellanwalzen, sich gegenläufig zu drehen. Sie gab die einzelnen Bestandteile nach Augenmaß hinein und ließ die Walzen die anstrengende Hauptarbeit des Vermengens erledigen. Jetzt musste sie die Masse nur wieder und wieder durchlaufen lassen, bis sie eine Salbe bekam, in die das Quecksilberpulver gleichmäßig eingearbeitet war. Sie hatte jeden Handgriff
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