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Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)

Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)

Titel: Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)
Autoren: A. G. Stoll
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oft genug gemacht, um sich sicher zu fühlen, keinen Finger in den Spalt zwischen den Zylindern zu bekommen oder das empfindliche Porzellan aus Versehen zu zerbrechen.
    Gustav vertrat beim letzten Punkt allerdings eine andere Meinung. Ausschließlich er durfte diese wertvolle Maschine benutzten. Erwischte er sie dabei, wie sie gegen seine Anweisung verstieß, würde er sie auf Erbsen knien lassen. Seine Lieblingsbestrafung, seit er sie für zu alt für eine Tracht Prügel hielt, und genauso schmerzhaft.
    Der Vorteil dieses Verbots war, dass sie so ihr Arbeitspensum an seinen freien Tagen schneller hinter sich brachte, als er ahnte. Die fertige Salbe füllte sie in Glasgefäße und beschriftete die dazugehörigen Etiketten sorgfältig in kleinen, gut lesbaren Buchstaben, bevor sie diese aufklebte. Gustav legte Wert auf gute Schrift. Als Kind hatte sie oft genug Bekanntschaft mit dem Lineal gemacht, um zu wissen, wie heftig diese Schläge auf der Hand brannten.
    Ein Blick auf die Aufgabenliste sagte ihr, dass zum Abschluss Giftweizen gewünscht war.
    Sie pulverisierte das Strychnin im Mörser und rührte es in Alkohol ein, mischte einige Tropfen Anisöl hinzu und goss die Mischung über die Weizenkörner. So köstlich es roch, so tödlich würde es für die Ratten und Mäuse sein, die davon probierten.
    Da die Körner ebenso wie die Pillen trocknen mussten, war sie vorerst fertig mit der Arbeit.
    Der Zettel war abgearbeitet. Schneller, als gedacht. Zufrieden summte sie die Melodie eines Liebesliedes, das eines der Hausmädchen häufig gesungen hatte, und machte sich auf den Weg in die Bibliothek.
    Der Raum gehörte zu dem Bereich des Hauses, den Kate ausschließlich auf Gustavs Anweisung hin aufsuchen durfte. Die Dielen knarrten, als sie darüber lief, als versuchten sie, ihre unerlaubte Anwesenheit herauszuschreien. Kate genoss es. Verbotenes zu tun, fühlte sich gut an. Ein wenig, wie in Freiheit zu leben.
    Die Bibliothek bestand aus zwei angrenzenden Räumen mit einer breiten Verbindungstür, die immer aufstand. Vom Boden bis zur Decke stapelten sich massive Eichenregale, vollgestopft mit Unmengen an Büchern und Zeitschriften. Gustavs ganzer Stolz.
    Kate zog die Vorhänge der beiden großen Fenster zurück. Von hier sah man auf einen halbverfallenen Holzzaun, der von Dornengestrüpp zugewuchert war und diese Seite des Hauses vor Einblicken schützte.
    Seltene Wintersonne leuchtete durch die Scheiben und blendete sie. Sie kniff die Augen zusammen und genoss die Wärme auf der Haut. Allerdings trafen die Sonnenstrahlen auch auf den abgewetzten Holzboden und machten Staubflocken sichtbar, die dort herumtanzten. Gustav würde sie bald auffordern, hier zu fegen und zu wischen. Fast erleichtert beobachtete sie, wie schwarze Dunstwolken die Sonne wieder verdunkelten und die verräterischen Schmutzbällchen kaum mehr auffielen.
    Sie brauchte nicht lange, um ihr Lieblingsbuch zu finden. Ein dicker Band über die Länder der Welt und ihrer verschiedenen Völker, den sie bereits etliche Male von der ersten bis zur letzten Seite durchgelesen hatte. Sie zog den Wälzer heraus und schlug ihn auf. Faszinierende Bilder waren darin, kunstvolle Radierungen und Fotos von seltsam aussehenden Menschen mit eigenartigen Gebräuchen. Frauen und Männer, die stolz und selbstbewusst wirkten, als kümmere sie weder ihre Nacktheit noch ihre Hautfarbe. Kate setzte sich auf den Boden, zog das Kleid glatt und lehnte sich mit dem Rücken an die übrigen Bücher an. Sie blätterte, bis sie die Stelle gefunden hatte, an der sie am letzten Samstag hatte aufhören müssen.
    »Dieser Bereich im Osten wird von Wilden besiedelt. Ihre heidnische Religion schreibt ihnen vor ...«
    Sie las und träumte dabei von einer glücklichen Zukunft, in der sie die Welt nicht nur durch Bücher und Gustavs Stereoskop betrachten musste. Mithilfe dieses Apparates, den er mit der dazugekauften Fotosammlung in der Bibliothek aufbewahrte, wurde aus den zwei Bildern, die aus verschiedenen Perspektiven aufgenommen waren, ein dreidimensionales Ganzes. So beeindruckend die Fotos von berühmten Bauwerken und imposanten Naturschönheiten auch waren, Kate hungerte danach, alles mit eigenen Augen zu sehen.
    Sobald sie sich vor Madame nach Neuanglia in Sicherheit gebracht hatte, plante sie, nach und nach die Wunder der Erde aufsuchen. Anschließend würde sie ihre Erlebnisse aufschreiben und verkaufen. Eines Tages fand sie sich in Büchern wie diesem wieder, da war sie sich
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