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Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)

Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)

Titel: Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)
Autoren: A. G. Stoll
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sicher.
    Bei dem Gedanken, frei zu sein, fühlte Kate sich einen Augenblick lang warm und leicht ums Herz an. Als flöge sie bereits in einem Luftschiff über zerklüftete Berge, sähe riesige Wälder und überquerte unendliche Meere.
    Schließlich stellte sie den Wälzer zurück und nahm sich ein anderes Buch.
    Kanalisation Waterlons. Geschichte, Konstruktion und Funktionsweise
stand auf dem Einband. Den Titel kannte sie nicht, was nicht ungewöhnlich war. Gustav kaufte oder lieh sich häufig neue Lektüre.
    Sie verzog den Mund. Madames Haus lag in Waterlon, der Hauptstadt Anglias, aber was bedeutete der Begriff
Kanalisation
?
    Neugierig blätterte Kate die ersten Seiten um. Vorsichtig, da sie keine verräterischen Spuren hinterlassen durfte.
    Erst nach und nach verstand sie, wovon der Band handelte.
    Demnach gab es unter den Häusern und Straßen der Stadt gewaltige Tunnel, in die Regen und Abwasser flossen, um von dort in den Fluss geleitet zu werden. Teilweise waren sie hoch genug, um darin stehen zu können. Die einzelnen Abschnitte waren miteinander verbunden und nach einem durchdachten System nummeriert.
    Kate zupfte am obersten Knopf der Strickjacke.
    Die Vorstellung, dass die unterirdischen Gänge praktisch unter ihren Füßen lagen, bereitete ihr einerseits ein wenig Unbehagen, regte andererseits aber auch ihre Fantasie an. Konnte man durch diese Röhren zu jedem Ort der Stadt gelangen, der einen interessierte?
    Sie blätterte um. Da stand eine Erklärung, wie das Spülsystem arbeitete, mit dem die Kanäle regelmäßig gereinigt wurden. Wasser wurde in großen Becken aufgestaut und dann in die Schächte gepresst.
    Lautes Türknallen ließ sie hochschrecken. Das Geräusch drang aus dem Heizungsschacht, stammte demnach aus dem vorderen, unteren Hausbereich. Kam Gustav vorzeitig zurück? Auf keinen Fall durfte er sie in der Bibliothek antreffen! Kate klappte das Buch zu und legte es fort. Sie nahm sich nicht die Zeit, darauf zu achten, es exakt an derselben Stelle einzufügen, von der sie es genommen hatte. Schnell zog sie die Vorhänge zu, hastete zur Tür und öffnete sie. Das charakteristische Klacken von Madames Stiefelabsätzen hallte bis zu ihr hoch. Kate zog scharf die Luft ein. Was machte die Frau hier? Sie kam nie an einem Samstag. Wichtiger, wohin wollte sie?
    Nicht auszumalen, was Madame sich als Strafe überlege, wenn sie Kate im ihr verbotenen Bereich des Hauses ertappte. Es war zu spät, um über die Treppe zu verschwinden.
    Ihr blieb nur der enge Geheimgang, der bis zu ihrem Zimmer führte, so ungern sie diesen auch benutzte. Nicht einmal über Kerze oder Lampe verfügte sie, um die Dunkelheit zu vertreiben!
    Hektisch schob sie die Bücher zur Seite und suchte nach der Vertiefung in der Holzverkleidung. Sie fand sie als Astloch getarnt, drückte den Daumen hinein. Zuerst geschah nichts, dann drehte sich das untere Regalteil um sich selbst und zeigte eine Öffnung in der Wand. Kate zögerte kurz. Ihre Furcht vor Madame überwog die vor der Dunkelheit. Sie zwängte sich rücklings durch das Loch und zog das Regal in die ursprüngliche Stellung zurück. Mit einem Klicken rastete es ein. Schwärze umgab sie. Gleichzeitig hörte sie, wie auf der anderen Seite die Bibliothekstür gegen die Mauer schlug.
    Nur weg von hier.
    Sie tastete sich den schmalen Gang entlang, der gerade hoch genug war, dass sie gebeugt in ihm laufen konnte. Die Strecke ging an einigen Stellen steil bergauf, was die Sache nicht leichter machte. Endlich stieß sie auf das Ende. Sie fühlte an der Wand herum, bis sie den Ring fand. Kalt und metallisch lag er in der Hand. Als sie daran zog, passierte nichts. Die irrationale Furcht, für immer eingesperrt zu bleiben, verwandelte ihren Bauch in einen Eisklotz und sie kämpfte gegen ein überwältigendes Übelkeitsgefühl an. Kurz überlegte sie und versuchte dann, den Ring zu drehen. Erst geschah nichts, doch schließlich belohnte sie ein Schnappgeräusch. Mit beiden Händen drückte sie gegen die Stelle.
    Sobald der Spalt breit genug war, schlüpfte sie hindurch.
    Sie schob das Wandstück zurück und sprang auf.
    Der Blick auf ihre Kleidung ließ sie losfluchen.
    Eilig rieb sie mit der Unterseite ihrer Schürze Gesicht, Hals und Hände ab. Dann durchkämmte sie mit den Fingern die kurzen Haare, um Spinnennetze und Staub zu entfernen. Madame wollte sie mit diesem Haarschnitt demütigen, aber heute war Kate froh darüber, weil sie so schneller zu säubern waren. Sie schüttelte ihren
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