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Töten Ist Ein Kinderspiel

Töten Ist Ein Kinderspiel

Titel: Töten Ist Ein Kinderspiel
Autoren: Corinna Waffender
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Bevor Papa krank wurde, haben sie andauernd über Scheidung geredet. Wer das Sorgerecht für uns bekommt, wer das Haus behält. Mama hat gesagt, ohne ihre Kinder geht sie nirgends hin, und Papa hat gesagt, er tut uns keine Rabenmutter an. Danach sind sie zu uns gekommen und haben abwechselnd bei Ben und mir Schönwetter gemacht.“
    „Und zu wem hast du gehalten?“
    Inge Nowak schaute ihren Kollegen überrascht an. So eine Frage konnte auch nur ein Mensch stellen, der keine Kinder hatte. Doch zu ihrer Verwunderung sagte Sara ohne Zögern: „Zu Mama, natürlich.“
    „Warum?“
    Sara stiegen Tränen in die Augen. „Weil sie okay war.“ Sie sah von Nowak zu Berger und wieder zurück. „Ich glaub… “ Bevor sie aussprechen konnte, was sie gedacht hatte, wurde sie von einem heftigen Schluchzen ergriffen, das ihren ganzen Körper erfasste. Inge Nowak gab nun doch einer Art mütterlichem Impuls nach, setzte sich neben Sara und umfasste ihre Schultern.
    „Ist ja gut, beruhige dich …“
    Statt sich zu beruhigen, sprang das Mädchen auf und schlug den Arm der Kommissarin weg.
    „Gar nichts ist gut!“, schrie sie. „Verstehen Sie denn überhaupt nichts? Ein Scheißdreck ist gut!“
    Dann rannte sie durch die geöffnete Balkontür über die Terrasse in den Garten und war verschwunden.
    Inge Nowak atmete tief durch.
    Sie hätte es besser machen müssen.
    Ben Mangold war das Gegenteil seiner Schwester. Beherrscht und ruhig stand der Neunzehnjährige Rede und Antwort.
    „Seit mein Vater krank ist, ist er ein anderer Mensch. Verbittert, oft nicht mehr ansprechbar. Daran sind die Medikamente schuld.“ Die Worte kamen gut gewählt über seine Lippen, als hätte er sie zuvor im Stillen eingeübt.
    „Sara behauptet, eure Eltern hätten oft Streit gehabt?“
    Er nickte. „Fast immer.“
    „Warum haben sie sich nicht getrennt?“
    „Unsretwegen. Dabei hätten wir es in Ordnung gefunden. Sara wäre bei meiner Mutter geblieben und ich bei meinem Vater.“
    „Warum?“
    „Weil er mich braucht.“
    „Wegen seiner Krankheit?“
    „Nein.“
    Die Kommissarin beschloss, nicht weiter zu bohren, sondern das Thema zu wechseln.
    „Weshalb haben deine Eltern denn so viel gestritten?“
    „Sie konnten nicht anders.“ Sein Mund verzog sich zu etwas wie einem Lächeln.
    „Wieso glaubst du das?“
    „Weil sie immer schon so waren. Sie hatten Streit, solange ich zurückdenken kann. Haben sich angeschrien, Sachen an die Wand geworfen, Türen geknallt – Hauptsache laut. Am Ende haben sie sich immer wieder eingekriegt. Ich glaube, dass keiner von beiden es lange ohne den anderen ausgehalten hätte. Sie waren ein eingespieltes Team, irgendwie.“
    Der junge Mann schob sich mit dem Zeigefinger die modische Hornbrille ein wenig höher. Anders als seine Schwester hatte er sehr dunkle Augen, die nicht nervös umherwanderten, sondern ruhig auf die Kommissarin gerichtet waren. Fast war ihr sein Blick ein wenig unheimlich.
    „Sie denken, Papa war’s, stimmt’s?“
    „Wir denken noch gar nichts. Wir stehen erst ganz am Anfang unserer Ermittlungen.“ Sie musterte ihn eindringlich. „Aber wieso kommst du darauf?“
    „Jeder weiß, dass er ein Choleriker ist.“ Ben legte den Kopf schief. „Und alle denken, dass er sich überhaupt nicht mehr unter Kontrolle hat.“
    „Und das ist nicht wahr?“
    Ben sah Inge Nowak an, als bemitleidete er sie für die Frage. „Er stirbt, Frau Kommissarin. Langsam und elend. Reicht das nicht, um auszuflippen?“
    Sie ignorierte die Frage und wechselte das Thema. „Wann hast du deine Mutter eigentlich das letzte Mal gesehen?“
    „Gestern morgen beim Frühstück.“
    „Wirkte sie da irgendwie nervös?“
    Ben schüttelte den Kopf. „Nein, sie war wie immer: gut gelaunt und in Eile.“ Nun sah man ihm an, dass hinter der erwachsener Fassade ein großer Junge steckte, der mit seiner Fassung rang.
    „Falls dir noch irgendetwas einfällt, was von Bedeutung sein könnte, auch wenn es dir noch so unwichtig vorkommt, etwas, was deine Mutter gesagt hat, oder jemand, mit dem du sie gesehen hast, der nach ihr gefragt hat – rufst du mich an, ja?“
    Ben Mangold nahm Nowaks Visitenkarte entgegen und nickte. „Natürlich.“ Er hatte sich wieder unter Kontrolle.
    Ingo Mangold saß aufrecht auf dem Küchenstuhl und lauschte angestrengt den Worten seines Sohnes. Niemals hatte er sich einem Menschen verbundener gefühlt als diesem Jungen. Und deshalb hatte er diesen einen Fehler nicht begangen: Nähe zu
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