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Töten Ist Ein Kinderspiel

Töten Ist Ein Kinderspiel

Titel: Töten Ist Ein Kinderspiel
Autoren: Corinna Waffender
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unbeweglich, staunend und mit offenem Mund: Ihre Schultern sanken nach vorn, der Rucksack fiel mitsamt Inhalt vor ihre Füße und das Fläschchen kullerte ins Gras. Sie erschrak. Was geschah mit ihr? Waren ihre Gliedmaßen gelähmt? Ein Kreislaufkollaps? Ein Hirnschlag? Oder hatte sie nur etwas Falsches gegessen und ihr Immunsystem rebellierte? Ihre Zunge lag schwer im Mund und schien anzuschwellen. Keine Chance, sich über die trockenen Lippen zu lecken, sie konnte nicht mehr schlucken. Sie versuchte ihre Gedanken zu ordnen und sah den Kuchen vor sich. Ihr wurde übel.
    „Möchtest du noch ein Stück?“
    Marmorierte Stücke, fein säuberlich aus Zellophan gewickelt und vor ihr ausgebreitet.
    „Greif zu. Ich krieg nichts runter. Die Aufregung, weißt du.“
    Sie hatte aus Höflichkeit ein Stück gegessen. Und weil sie nichts im Magen gehabt hatte. Es war so süß gewesen, dass sie es kaum geschafft hatte.
    Eine schreckliche Ahnung ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Wie hatte sie nur so naiv sein können?
    Sie wollte die Hand nach ihrem Handy ausstrecken, ohne zu wissen, wo es lag. Ihre Augen ließen sich nicht mehr scharf stellen, sie konnte nicht sehen, dass es unerreichbar für sie neben dem aufgeklappten Geldbeutel lag, aus dem die Tausender lugten. Sie war auf der Bank zusammengesunken, der Ausschnitt der Welt um sie herum wurde immer kleiner, zuletzt gaben ihre Augen nur noch den Blick auf einen Gedenkstein im Gebüsch frei: Alles Land bete dich an und lobsinge dir, lobsinge deinen Namen. Im nächsten Augenblick verschwanden wie auf Knopfdruck sämtliche Gedankenfetzen und Kai stürzte in eine Dunkelheit, die sie wirbelnd in die Tiefe zog. Auf ihrer Brust lag ein ungeheurer Druck, sie spürte, wie ihre Lungen blockierten. Ihr Atem stockte, ihr Inneres wölbte sich ohne Erfolg nach außen. Bevor sie wirklich begreifen konnte, dass bereits geschah, wogegen sie gerade noch gekämpft hatte, kippte sie haltlos zur Seite und verlor das Bewusstsein.
    Maike Ebling, die mit achtzehn Jahren den ersten und letzten Buchstaben ihres Namens gestrichen und den Rest kräftig durcheinandergeschüttelt hatte, würde das Ende des Krimis, der ins Gras gefallen war, nicht mehr erfahren. Ihr Herz war stehen geblieben.
    Inge Nowak schaute auf den grauen Hinterhof. Ihre eigene Aussicht aus dem Schlafzimmer fünfzehn Gehminuten von hier war nicht viel besser. Sie aber hatte hinter Doppelglasfenstern alles aus ihrer Wohnung herausgeholt. Auch wenn sie wohl noch eine Weile der Bank gehören würde. Inge hatte sich nach und nach den Traum von einem behaglichen Zuhause erfüllt. Es kam nur zu selten jemand, um es mit ihr zu genießen. Ihr Freundeskreis hatte sich nach der Trennung von Bernd auf ein Minimum reduziert, und seit Marit in der kleineren Wohnung nebenan wohnte, waren zwei der vier Zimmer zu viel für einen Ein-Personen-Haushalt. Wann war man eigentlich Single und wann alleinstehend? Manchmal überlegte Inge, ob sie eines der Zimmer untervermieten sollte, doch dazu bestand keine finanzielle Notwendigkeit und ihre Einsamkeit wäre dadurch nur allzu offensichtlich geworden. Einsamkeit? Nein. Im Grunde wollte sie keine ständige Gesellschaft. Wenn sie abends nach Hause kam, war sie froh, ihre Ruhe zu haben. Nur an den Wochenenden hätte sie manchmal gerne jemand anderen zum Essen eingeladen als ihre Tochter und wäre danach lieber nicht alleine schlafen gegangen. Was ihr fehlte, war eine Bettgeschichte.
    Schrill schepperte die Türklingel, Inge Nowak fuhr herum und sah, wie ihr Kollege sich mit gezückter Pistole filmreif an die Wand drückte. Sie winkte ab und bedeutete ihm mit einem Blick, er möge in die Küche gehen. Mechanisch schob sie die Hand unter ihre Jacke und vergewisserte sich, dass ihre eigene Waffe da war, wohin sie gehörte. Sie ging leise zur Tür und schaute durch den Spion. Draußen stand eine junge Frau, die überrascht einen halben Schritt zurückwich, als sie erkannte, dass ihr eine Fremde öffnete.
    „Hallo“, sagte Nowak. „Sie möchten zu Maike Ebling?“
    Die junge Frau sah sie zögernd an. „Ja. Störe ich? Ich war nur gerade in der Gegend und wollte ein Buch abholen.“
    „Nein, Sie stören überhaupt nicht. Kommen Sie herein. Ich bin von der Kriminalpolizei, Hauptkommissarin Inge Nowak.“
    Noch ehe sie sich ausweisen konnte, geriet die junge Frau sichtlich aus der Fassung.
    „Ist etwas passiert? Mit Kai?“
    „Kai? Wen meinen Sie damit?“
    „Meine Dozentin. Maike Ebling. Wir nennen
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