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Töten Ist Ein Kinderspiel

Töten Ist Ein Kinderspiel

Titel: Töten Ist Ein Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Waffender
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Verrückte, wenn Sie mich fragen. Mir war das nie geheuer, dass sich Hannes mit ihr abgegeben hat. Sie hätte damals schon seine Großmutter sein können! Die Leute haben sich erzählt, sie war im KZ.“ Gerhild Hoffmann fuhr mit der flachen Hand über den ordentlich aufgeräumten Schreibtisch ihres vor dreiundzwanzig Jahren verstorbenen Sohnes. „Sie war hier geboren, ist mit Anfang zwanzig von zu Hause weggelaufen und urplötzlich nach dem Tod ihrer Mutter wieder hier aufgetaucht. Sie trug eine schlecht sitzende Perücke und lebte mutterseelenallein in ihrem Elternhaus. Ließ den Garten zuwuchern, grüßte keinen und ließ niemanden herein.“
    „Außer Hannes zum Schachspielen“, stellte die Hauptkommissarin fest.
    „Sie hatte einen Narren an ihm gefressen. Sie war sogar auf seiner Beerdigung.“
    „Lebt sie noch?“, fragte Verónica eher beiläufig.
    „Das kann ich Ihnen nicht sagen. Sie hat kurz nach Hannes ’Tod das Haus verkauft und ist wieder zurück nach Berlin, glaube ich.“
    „Nach Berlin?“, fragten die beiden Ermittlerinnen wie aus einem Mund.
    „Das hat mir mein Schwager erzählt, der arbeitet bei der Bank und hat sich um den Hausverkauf gekümmert. Es war ihr egal, ob sie dabei Verluste machte. Sie wollte nur eine Wohnung in Berlin davon kaufen können.“
    „Und ich kann mir auch vorstellen, wo!“, sagte Inge Nowak plötzlich und dann: „Wohnt Ihr Schwager denn auch in Unterlurch?“
    „Nein, der wohnt in Oberlurch. Aber wozu wollen Sie das denn alles nur wissen?“
    „Um Gerechtigkeit walten zu lassen“, antwortete sie, bedankte sich für den Kaffee und überließ es Verónica, die Adresse des Schwagers aufzuschreiben.
    „Könnten Sie uns ein Taxi rufen?“
    „Ach, was!“, antwortete Gerhild Hoffmann und streifte ihren Kittel ab. „Ich fahr Sie schnell hin!“
    Richard Dohl war ein schwerfälliger Mittsiebziger, den man nicht wirklich gern in seiner Familie haben wollte.
    „Sie hatte eine Meise, wenn Sie verstehen, was ich meine.“
    „Nicht wirklich, nein.“
    „Eine alte Jungfer.“
    „Sie war also nie verheiratet. Und?“
    Dohl lehnte sich in seinem Fernsehsessel ein Stück nach vorn und sagte verschwörerisch: „Die hatte in ihrem ganzen Leben keinen Mann!“
    „Aha.“ Nowak spürte, wie ihre Lippen Worte formen wollten, die sie auf keinen Fall sagen sollte, und wechselte abrupt das Thema. „Wohin wurde das Geld überwiesen, das der Hausverkauf eingebracht hat?“
    „Sie hat es in bar mitgenommen.“
    „Den ganzen Betrag?“
    „Werde ich nie vergessen: 190.000 Mark in großen Scheinen. Dann fuhr sie mit einem Taxi zum Bahnhof.“
    „Warum?“
    „Sie hat keinem getraut.“
    „Wer hat das Haus gekauft?“
    „Die Bank.“
    „Wieso?“
    „Es war mehr wert, und wir haben es mit Gewinn weitervermittelt.“
    „Weshalb hat sie nicht gewartet, bis sich ein besserer Käufer gefunden hätte?“
    „Sie hatte es sehr eilig. Ich sag Ihnen doch: Die hatte eine Meise. Sie wollte auch unbedingt die Möbel drin lassen. Hat nichts, aber auch gar nichts mitgenommen. Nur das Geld. Als ob der Teufel persönlich hinter ihr her wäre!“
    Zwischen den gehäkelten Spitzendecken auf dem Wohnzimmertisch und der Lehne des Sofas, der Zinnkrugsammlung im verglasten Eichenschrank und dem Karnevalsorden-Ensemble an der Wand hatte Inge Nowak gedacht, dass, wenn der Teufel so aussah wie der fettleibige, unansehnliche Bankangestellte in Pension, sie auch lieber heute als morgen von hier fortgehen würde. Was sie veranlasste, die Befragung ohne Umschweife abzubrechen und das Haus von Richard Dohl beinahe fluchtartig zu verlassen. Was sie wissen musste, hatte sie gehört, jedes weitere Wort aus seinem Mund wollte sie sich schenken.
    „Wichser“, zischte sie, kaum hatten sie das Gartentor hinter sich geschlossen. „Warum hat er nicht gleich gesagt, dass sie noch nie einer mal so richtig rangenommen hat?“
    „Weil er wusste, dass wir es auch so verstehen.“ Verónica hakte sich bei ihrer Freundin ein und zog sie von dem Haus zum Wagen von Gerhild Hoffmann. „Vergiss es, der ist es nicht wert, dass wir uns über ihn aufregen.“
    Auf der Rückfahrt nach Unterlurch schwiegen die drei Frauen.
    „Gerechtigkeit“, sagte Hannes’ Mutter zum Abschied, „macht die Toten auch nicht wieder lebendig.“
    „Nein. Aber sie lässt die Lebenden besser schlafen“, erwiderte Inge Nowak und reichte ihr die Hand.
    „Mischgetränk?“, fragte Doris Riedel, als sie die beiden Frauen im Hof sitzen

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