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Tödliches Paradies

Tödliches Paradies

Titel: Tödliches Paradies
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der hintersten Bardamenkehle hervor: »Hochzeitsreise? Aber Tim! So verrückt, zu heiraten, bin ich wirklich nie gewesen. Aber ich will dir was sagen: ich habe Sachen hinter mir, da reicht keine Hochzeitsreise heran. Gerade Formentor zum Beispiel … Hoffentlich gibt's da keinen mehr, der sich an mich und all das erinnert.«
    »An was denn?«
    »An was?« Sie griff schon wieder nach ihren verdammten Zigarillos. »An Juan zum Beispiel. Ein Prachtbild von Olé-Junge, kann ich dir sagen. Aus Granada. Oder war's Malaga? So genau weiß ich das nicht mehr. Bleibt wohl auch das gleiche. Juan war Gärtner oder so was. Den Park kannte er. Da gibt's nämlich einen Tee-Pavillon – und wenn ich das so zusammendenke, den Juan und den Tee-Pavillon … Aber das darf ich ja gar nicht mehr. Im Alter soll man bescheiden träumen … Also, trinken wir einen! Greif mal hinter meinen Sitz, Tim. Da ist so ein Fach, und drin steckt ein Flachmann.«
    Tim griff und ertastete kühles Metall. Die alte Dame zog den Becher von der Flasche und goß ein.
    Tim schnupperte. »Whisky?«
    »Richtig. Da – du nimmst die Flasche, ich den Becher. Auf uns, nein, besser auf dich und Melissa im Formentor!«
    Feucht und kühl pfiff der Nachtwind. Helene Brandeis hatte das Fenster heruntergekurbelt und warf ihren Glimmstengel hinaus. Im Rückspiegel sah Tim, wie er, gleich einem winzigen Kometen, einen rotleuchtenden Bogen beschrieb und in einem Funkennest auf der Fahrbahn zerplatzte.
    »Siehst du!« verkündete Helene Brandeis stolz. »Das blöde Ding habe ich weggeschmissen. Genau so, wie du mir das empfohlen hast. Aber dafür wirst du mich jetzt nach Hause bringen, und dann werden wir noch gemütlich ein Gläschen zusammen trinken.«
    »Und Melissa?« sagte er zögernd.
    »Na ja«, meinte Helene weise, »warten steigert die Vorfreude.«
    Zehn Minuten später rollte der Dreihunderter in den Innenhof der Villa auf dem Hügel. Schon hier waren die Katzen zu hören: Dünne Kinderstimmen, ein ganzer Chor von Miaus.
    Ein schwarzer Kater strich schräg über den Hof, und die dunklen, nassen Mauern schienen noch enger zusammenzurücken. Vor den mondbeschienenen Wolken dort oben stand schwarz, wie in einem Gespensterfilm, die Wetterfahne.
    »Nur fünf Minuten, Tim«, sagte die alte Dame, »nicht länger …«
    Zehn Schläge hörte Tim, als ihn das Taxi nach Hause brachte. Und Kirchturmuhren irren leider selten.
    Er blickte hoch. Über dem Dach, aus einem Wolkenloch, funkelte die Venus. Und im Giebel brannte ein einsames Licht …
    Das Schlafzimmer.
    »Lissa!«
    Der Name hallte durch die Stille des Hauses.
    Tim warf dem weißgoldenen Barockengel, der ihm in der Halle zulächelte, den Schal um den Hals. Sie nannten ihn ›Jimmy‹ und hatten ihn sich gegenseitig letztes Jahr zu Weihnacht geschenkt. Er ging hoch. Er hatte das Gefühl, als seien seine Beine etwas schwer.
    Ganz vorsichtig drückte er die Türklinke.
    Da lag sie nun, die nackten Schultern rosig vom Licht der Nachttischlampe überhaucht, den Blick in ein Buch vertieft. Frauen, die sich im Bett an einem Buch festhalten, haben etwas Bedrohliches, fand Tim.
    »Hallo, hallo!« So fröhlich, wie die Stimme flötete, war ihm nicht ums Herz. »Weißt du, daß wir gerade noch einen auf dich getrunken haben? Die Helene und ich … Ja, und auf ein paar andere auch. Auf Marie-Luise zum Beispiel …«
    Stille. Der Nachttischwecker konnte ja nicht ticken, der lief elektronisch, und doch glaubte Tim ihn zu hören.
    Sauer ist Melissa, sagte er sich. Aber auch du hast deine Trümpfe.
    »Ich bring' dir Palmen, Lissa! Und blauen Himmel, statt diesem ewigen, grausigen Dauerregen. Und blaues Meer bring' ich dir natürlich auch.«
    Nun ließ sie das Buch doch sinken. Selten waren ihm Melissas Augen so grün erschienen.
    »Und wenn du auf den Knopf drückst«, fantasierte er hastig weiter, »kommt ein Kellner. Im Frack, versteht sich. Der bringt dir das Frühstück ans Bett. Oder Champagner. Und das noch um drei Uhr morgens …«
    »Sag mal …!«
    Doch Tim war in Fahrt: »Wenn du aufstehst, Lissa, gehst du raus auf den Balkon und siehst über die weite, weite Bucht von Alcudia. Die gilt als eine der schönsten der Welt.«
    Die beiden kleinen Falten rechts und links ihrer Nasenwurzel zogen sich senkrecht zusammen. Melissas Gesicht wirkte äußerst wachsam und konzentriert. Sie hatte einmal Biologie studiert und sah jetzt aus, als habe sie gerade auf dem Objektträger ihres Mikroskops ein fremdartiges Geißeltierchen
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