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Tödliches Paradies

Tödliches Paradies

Titel: Tödliches Paradies
Autoren: Heinz G. Konsalik
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entdeckt.
    Auch dies vermochte Tim nicht zu stören.
    »Kommenden Samstag beginnt unsere Hochzeitsreise, Lissa! Wenn auch mit einem Jahr Verspätung, aber diesmal gebucht. Und daß ich jetzt so spät komme …«, er streichelte ihre Hand, »liegt einfach an der Beerdigung. Marie-Luise ist von uns gegangen … Aber sie will wiederkommen, doch das dauert noch … Inzwischen sind wir schon längst wieder hier. Da, guck mal!«
    Hastig griff er in die Brusttasche und schob das licht-blaue, elegante Kuvert, das die Angebote der Agentur Pichler enthielt, ins Lampenlicht. »Das schönste Hotel Europas. Zwei Pools. Für uns 'ne Luxus-Suite mit Himmelbett. Der passende Rahmen …«
    »Luxus-Suite mit Himmelbett?« Es waren die ersten Worte, die Melissa sprach.
    »Gratis, Melissa. Alles gratis! Von Helene geschenkt.«
    Ihr Buch polterte zu Boden. Steil aufgerichtet saß sie da.
    »Nun guck dir doch mal die Bilder hier an«, drängte er weiter. »Sieh mal, diese Terrassen! Und das Meer. So richtig idyllisch, nicht? Da, die Berge hier. Und im Park, Melissa, gibt's einen Tee-Pavillon. Da haben schon Helene und ihr Juan gefeiert. Da feiern auch wir …«
    Wölkchen unter der rechten Tragfläche. Es waren drei Stück, eine große und zwei kleine. Die kleinste hatte sich sogar goldene Ränder zugelegt. Und ganz tief unten ein rosa, heller Fleck, der Striche dünn wie Spinnfäden ins Land schickte: Die Stadt Marseille. Im Westen aber dehnte sich das weite blaue Meer.
    Tim fühlte einen kleinen Stich unter den Rippen. Auch Melissa hatte ganz große, andächtige Augen. Wie oft hatten sie sich genau dieses Bild schon vorgestellt? Nun war es – Lob und Preis sei Helene Brandeis – Wirklichkeit geworden. Wirklichkeit waren die bequemen First-class-Sitze, war diese entzückend zuvorkommende Lufthansa-Stewardess mit dem schwingenden, schwarzen Pferdeschwanz, dieses hervorragende Hirschfilet mit Croquetten und Preiselbeeren, die Flasche Mosel auf dem aufgeklappten Tischchen, die fürsorglich sonore Kapitäns-Stimme aus dem Lautsprecher: »Die Temperatur auf Mallorca beträgt zweiunddreißig Grad, und auch für die nächsten Tage ist eine Hochlage angesagt. Sie haben also das schönste Ferienwetter zu erwarten …« Es gab so viele Wirklichkeiten, die man gar nicht glauben mochte. Die Insel, die dort unten auftauchte, der kleine Ruck, als die Räder des Flugzeuges den Boden zurückeroberten, und dann, auf der Rolltreppe, der erste Gruß Mallorcas: Seidenweiche, warme Luft, gemischt mit Benzin- und Meeresduft … Weder Wasserlachen noch Wolken – dafür Touristen. Die allerdings herdenweise …
    Zwanzig Minuten später schon steckte ihr Gepäck im Kofferraum eines großen, schwarzfunkelnden Mercedes. Im Gegensatz zu Helene Brandeis' Dreihunderter war das Ding brandneu.
    H OTEL F ORMENTOR stand in vornehmen, winzigen Goldbuchstaben auf den Vordertüren. Selbst der Chauffeur war eine Sensation: Bei so breiten Schultern, so schmalen Hüften und so unglaublich weißen Zähnen blieb Tim gar nichts anderes übrig, als sich Helenes ›Olé-Jungen‹ Juan vorzustellen …
    »Wie findest du den?« erkundigte sich Melissa.
    »Dem Stil des Hauses entsprechend«, erwiderte Tim knapp.
    »Genau. Und sicher bedient der die einsamen amerikanischen Millionärinnen.«
    »Jetzt hör mal!« Womöglich hatte sie recht. Vielleicht hätte auch Helene Brandeis …? Aber nein, Helenes Intimsphäre Melissas Lästerzunge preiszugeben, das wollte Tim nun auch wieder nicht.
    »Gratis gibt's ihn jedenfalls nicht«, meinte Melissa und schritt mit wehendem Goldhaar dem aufgerissenen Schlag entgegen: »Und ich könnte ihn mir sowieso nicht leisten.«
    Das schien Tim nun doch zuviel: »Jetzt mach mal 'nen Punkt! Schließlich fahren wir zu unserer Hochzeitsfeier.«
    »Ja eben.« Melissa lachte übermütig.
    Um dort hinzukommen, war noch einiges an Weg zurückzulegen. Und so glitten sie nun hinter getönten Scheiben, vom kühlen Atem der Klimaanlage umfächelt, quer über die Insel.
    Auf den Hügeln standen sand- oder ockerfarbene Bauernhöfe, von denen Melissa behauptete, sie wirkten wie aus Brot gebacken. Sie sahen die Türme von Windmühlen. Die Flügel daran, sagte Melissa, seien wahrscheinlich längst verheizt worden. Weiter von der Straße entfernt tauchten auch Schlösser, Klöster und sehr, sehr ehrwürdige Kirchtürme auf. In großen Körben am Straßenrand wurden rote Tomaten und leuchtende Orangen angeboten. Knoblauchschnüre hingen von den Hauswänden. Dies alles
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