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Tödliches Labyrinth

Tödliches Labyrinth

Titel: Tödliches Labyrinth
Autoren: Rebecca Brandewyne
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Wissensdurst zu stillen. Doch jetzt, mit sechzehn Jahren, hatte Leah wieder begonnen, sich verstärkt Gedanken über Dinge zu machen, die ihr merkwürdig vorkamen.
    Beispielsweise fragte sie sich, warum ihre Familie immer wieder umzog. Die Tallclouds blieben nie irgendwo länger als ein bis zwei Jahre. Dabei bewegten sie sich innerhalb der Vereinigten Staaten ausschließlich im Südwesten und gingen ein paar Mal sogar über die Grenze, um in Mexiko zu leben. Sie mieteten immer nur Häuser in entlegenen Dörfern, nie in einer der großen oder wenigstens mittelgroßen Städte, von denen es im Südwesten genug gab.
    Als Folge davon war Leah weitestgehend isoliert aufgewachsen und schloss nur selten enge Freundschaften, da sie schon in jungen Jahren erkannt hatte, dass sie ihre neuen Freunde schnell wieder verlor, sobald ihre Eltern den nächsten Umzug beschlossen hatten. Davon abgesehen, war ihr aber auch nie viel Zeit geblieben, um Freundschaften zu pflegen. Neben dem Lernen und der Arbeit im Haus hatte sie genug anderes zu tun, was den größten Teil des Tages in Anspruch nahm.
    Oft hatte sie sich danach gesehnt, zu jenen angesagten Cliquen zu gehören, die sie an jeder der von ihr besuchten Schulen vorfand. Doch stattdessen war sie immer nur die Außenseiterin gewesen, die nicht dazugehörte.
    Wenn sich einmal der seltene Fall ergeben hatte, dass sie eine Freundin mit nach Hause brachte, verhielten sich Jim und Faith Tallcloud zwar höflich. Gleichzeitig ließen sie durch ihr reserviertes Verhalten aber auch durchblicken, wie wenig sie daran interessiert waren, eine Freundschaft zu fördern. Leahs wenige Freundinnen hatten sich dadurch instinktiv unbehaglich gefühlt, und nur die allerwenigsten von ihnen waren überhaupt zu einem zweiten Besuch in ihrem Haus zu bewegen gewesen.
    In der letzten Zeit hatte Leah begonnen, zunehmend gereizter darauf zu reagieren. Sie entwickelte sich zu einer jungen Frau – und sie begann, wenn auch nur zaghaft, sich für Jungs zu interessieren. Die bewundernden Blicke, die ihr viele Jungen zuwarfen, zeigten ihr, dass sie von ihr Notiz genommen hatten und Leah für attraktiv hielten.
    Diese Erkenntnis hatte ihrem Selbstbewusstsein einen immensen Auftrieb gegeben. Denn auch wenn Leah wusste, dass sie eine normale junge Frau war und dass sie nur deswegen so wenig Umgang mit anderen Menschen hatte, weil ihre Eltern so rastlos und übertrieben fürsorglich waren, verspürte sie tief in ihrem Inneren permanent große Unsicherheit.
    Jeder Blick in einen Spiegel zeigte ihr, dass sie anders war als die übrigen Menschen in jener kleinen Welt, in der sie lebte. Sie hatte blaue Augen und helle Haut, und selbst das Schwarz ihres langen, glänzenden Haars wies nicht den typischen bläulichen Schimmer auf. Auch waren ihre Gesichtszüge feiner geschnitten als die ihrer Eltern. Sie sah einfach nicht indianisch aus, sondern wie eine Weiße.
    Manchmal, wenn ihre Fantasie mit ihr durchging, stellte sie sich vor, Jim und Faith hätten sie gekidnappt. Wäre das jedoch der Fall gewesen, dann hatten sich ihre leiblichen Eltern offensichtlich nicht daran gestört und nie das geforderte Lösegeld gezahlt. Dieser Gedanke schmerzte sie so unerträglich, dass sie ihn sofort verdrängte. Nein, es konnte nicht wahr sein. Wenn die Tallclouds sie entführt hätten, dann wären sie sicher nicht auf Dauer daran interessiert gewesen, sie am Leben zu lassen. Und sie hätten sie erst recht nicht wie eine eigene Tochter großgezogen.
    Ganz gleich, ob es tatsächlich irgendeine andere Wahrheit gab, eines war sicher: Ihre Eltern liebten sie sehr.
    Das zeigten sie ihr auf vielfältige Weise. Jim saß nach jedem Abendessen noch lange mit ihr am Tisch, um ihr bei den Hausaufgaben zu helfen. Faith brachte ihr bei, wie man einen Haushalt führt, wie man kocht und putzt und überlegt Lebensmittel einkauft. Sie wurde auch in vielen anderen Dingen unterrichtet, da ihre Eltern von Beginn ihrer Erziehung an der Überzeugung waren, das öffentliche Schulsystem sei überholt und genüge beiweitem nicht, um sie für das Leben in der wirklichen Welt vorzubereiten.
    Daher musste sie vom Kindergarten an einem rigorosen privaten Lehrplan folgen, der ihr Wissen vermittelte über Film, Theater, Tanz, Musik, Kunst und Antiquitäten. Außerdem lernte sie, Spanisch und Französisch zu sprechen. Als sie zehn Jahre war, hatten ihre Eltern mit dem begonnen, was sie selbst für das Wichtigste im Leben hielten: sparsam und klug zu wirtschaften. Leah
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