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Toedlicher Sumpf

Toedlicher Sumpf

Titel: Toedlicher Sumpf
Autoren: Joy Castro
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Quarter Flyer mit einem Foto von ihr verteilt, und der Familienvater hat sich übers Fernsehen an den Entführer gewandt.«
    »Der Vater?« Frauen lösen bei den Zuschauern in der Regelviel mehr Sympathie und Mitgefühl aus, sie sind weniger bedrohlich.
    »Die Mutter ist tot. Nach den bisherigen Befragungen sieht es so aus, als hätte das Au-pair-Mädchen sich nicht nur um die Kinder gekümmert.«
    »Meint ihr, dass da ein Zusammenhang mit den beiden anderen besteht?« Erst vor kurzem ist die zweite Frauenleiche ans Ufer des Mississippi gespült worden. Vergewaltigt und anschließend erwürgt.
    Calinda schweigt eine Weile. »Das darf ich dir eigentlich nicht sagen.«
    »Hmm. Am helllichten Tag, im French Quarter ... euer Täter ist ziemlich mutig.«
    »Ja, und genau das beunruhigt mich.« Sie schaut auf die Uhr. »Es ist jetzt fast sechsunddreißig Stunden her. Um die Wahrheit zu sagen, ich habe nicht viel Hoffnung.«
    »Schon so abgebrüht?«
    »Nur realistisch. Die Sache ist die: Wenn er wirklich so mutig ist, und wir finden ihn jetzt nicht, wird er es bald wieder tun.«
    »Wenn die Polizei ihn kriegt – würdest du dann den Fall gern übernehmen?«
    »Was?«, ruft sie. »Aufseiten der Anklage? Ja, zum Teufel. Und ob! Den Mistkerl würd ich fertigmachen! «
    Die drei Geschäftsleute an einem der Nachbartische spähen zu uns herüber, und wir lächeln ihnen leutselig zu. Sie heben die Gläser.
    Calinda beugt sich vor, zieht eine Braue hoch und senkt die Stimme. »Scheiße würde ich ihn fressen lassen.«
    Unser Gespräch driftet zum Jazz Fest, das bald ansteht, und wir tauschen uns darüber aus, welche der Konzerte sich lohnen könnten. Dann glitzern unsere Gläser auch schon leer in dem gelben Licht.
    Calinda klopft sich auf die Schenkel und sagt: »Gut, Süße, ich muss los.« Ich stehe auf, umarme sie und verabschiede michwortreich, als hätte ich alle Zeit der Welt, aber noch bevor das Klappern ihrer Absätze auf dem Holz verklungen ist, sinke ich zurück in das weiche Leder und strecke die Hand nach den Akten aus.
    Jede einzelne enthält eine Horrorgeschichte, ein Protokoll totaler Verkommenheit. Täter starren mich an, anzüglich oder abgestumpft, gleichgültig oder feindselig, einige irre, andere müde und kleinlaut. In einigen der Akten stoße ich auch auf Fotos von den Opfern und Transkriptionen ihrer Aussagen. Ihre Augen sind dunkle Löcher größter Verletztheit oder glatte, eisige Flächen.
    Ich lese, was den Frauen im Einzelnen angetan worden ist – lese von den Tricks und den Lügen, von Fesseln, von einer Colaflasche aus Glas –, und mir wird schlecht. Unvorstellbar, auch nur einen dieser Männer anzurufen und höflich um ein Interview zu bitten – geschweige denn, bei einem von ihnen vor der Tür zu stehen.
    Dann gebe ich mir einen Ruck. Es ist in Ordnung. Es wird gut. Ich werde mich einfach reinknien in die Sache, einen mordsmäßigen Job machen – und danach nie wieder über einen Nachtclub oder eine Boutique-Eröffnung schreiben müssen. Wenn sie richtig gut ist, wird die Story vielleicht sogar mein Ticket raus aus dieser Stadt.
    Aber das flüstert der Rum mir ein. Ich muss lachen und schüttele den Kopf. Jetzt heißt es erst einmal arbeiten.
    Langsam gehe ich den Stapel durch und suche die Männer heraus, die mir für ein Interview am ehesten geeignet erscheinen. Das ist keine Ausstellungseröffnung, bei der der Galerie-Besitzer für ein bisschen kostenlose Werbung alles tun würde. Bei diesen Männern – wenn ich sie überhaupt erreiche – ist es viel wahrscheinlicher, dass sie jedes Gespräch ablehnen.
    Mein Häufchen mit möglichen Kandidaten wächst. Die offensichtlich Geisteskranken sortiere ich aus – wozu einen Irren auch noch vorführen? Ich will Typen, die bei Verstand sind, und möglichst viele soziale Schichten repräsentieren, damit dieLeser sehen, wie komplex das Problem ist. Am Ende entscheide ich mich für eine knappe Handvoll Kandidaten. Mike Veltri, ein Weißer, Arbeiter in Metairie, dem es gefallen hat, wenn die Frauen sich gewehrt haben. Micah Harris, schon älter, ein schwarzer Pastor in Tremé, der seine Stellung in der Kirche ausgenutzt hat, um sich das Vertrauen der Opfer zu erschleichen; wie sich herausgestellt hat, waren es im Lauf der Jahre über dreißig. George Anderson, der reiche Kerl am Audubon Place, der nicht in der Lage war, seine sexuellen Bedürfnisse so weit zu beherrschen, dass ihm die pro Jahr üblichen zwei Sex-Reisen nach Südostasien gereicht
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