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Toedlicher Staub

Toedlicher Staub

Titel: Toedlicher Staub
Autoren: Massimo Carlotto
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fragte er Sebastiano.
    »Sie entscheidet selbst, wie lange sie arbeitet. Ich zahle stundenweise, und morgen ist ihr freier Tag«, antwortete Trincas gereizt. »Außerdem, was geht’s dich an? Bist du von der Gewerkschaft?«
    Schreie und Pfiffe empfingen die Band auf der Bühne. Der Sänger entrollte die sardische Fahne mit den vier Mohren und schwenkte sie vor dem Publikum, das laut applaudierte.
    »Cagliari! Verfickte Stadt! Wir lieben dich!«, schrie er ins Mikro.
    Das Konzert dauerte mehrere Stunden lang, die Bar wurde bis drei Uhr früh regelrecht belagert. Nina war schon vor einiger Zeit verschwunden, und Pierre war müde. »Na, dann bis morgen«, sagte er irgendwann.
    »Wir sind noch nicht fertig«, entgegnete Trincas. »Erst müssen wir den Kühlschrank auffüllen.«
    Tatsächlich kam trotz der späten Zeit kurz darauf ein Lieferwagen mit Bier- und Limokästen. Endlich klappten sie die Schirme zusammen, stapelten Tische und Stühle auf und sicherten sie mit einer Kette.
    »Kann ich dich was fragen?«, wagte Nazzari.
    »Solange die Antwort nicht lang sein muss und nichts mit Tore und Mario zu tun hat.«
    »Schade, genau um die beiden geht es.«
    »Dann vergiss es.«
    »Ich bin in derselben Lage wie du«, platzte Pierre heraus. »Sie haben mich auch an den Eiern.«
    Der Sarde seufzte. »Was willst du wissen?«
    »Was für Bullen sind das? Finanzpolizei, Antiterror …?«
    »Tore Moi und Mario Cannas sind keine Bullen. Das heißt, sie waren mal welche. Einer war bei der Finanzpolizei, der andere im Strafvollzug. Jetzt arbeiten sie privat«, erklärte Sebastiano. »Seit einiger Zeit beschäftigen sie sich mit Abhöraktionen. So haben sie mich drangekriegt.«
    Pierre war wie versteinert. Was bedeuteten diese Informationen für ihn? »Und für wen arbeite ich dann?«, stotterte er.
    »Keine Ahnung. Aber Tore ist kein billiger Handlanger. Hinter dem steht mit Sicherheit einer, der in der Stadt was zu sagen hat.«
    Nazzari kehrte nach Hause zurück und gönnte sich eine ausgiebige kalte Dusche, die zwar die Schläfrigkeit wegspülte, aber nicht die Erschöpfung. Er machte sich einen starken Espresso, zog sich um und ging los. Beim Militär hatte er gelernt durchzuhalten.
    Kurz nach halb acht öffnete sich das Tor ihres Hauses und entließ einen kleinen, verstaubten Geländewagen. Nina sah anders aus als am Abend zuvor. Die Haare zusammengebunden, ausgebeulte Jeans, Bergschuhe und ein kurzärmeliges Holzfällerhemd, vorm Bauch zusammengeknotet. Sie fuhr mit mäßiger Geschwindigkeit. Zehn Kilometer hinter dem Ort bog sie auf einen unasphaltierten Weg ein.
    Hier brach Pierre die Verfolgung ab, fuhr zurück und stellte den Wagen in den Schatten eines Eukalyptusbaums, rund fünfzig Meter vom Haus entfernt. Eine Sporttasche, die er im Kofferraum gefunden hatte, über der Schulter, ging er zum Tor. Er fürchtete, verdächtig zu wirken, doch weder auf der Straße noch an den Fenstern der wenigen umliegenden Häuser war ein Mensch zu sehen. Dank der Schlüssel und Hinweise, die er von Tore hatte, gelangte er flink und leise ins Haus. Das Wohnzimmer war spartanisch eingerichtet, wahrscheinlich wurde das Haus voll möbliert vermietet. Nazzari war enttäuscht, er hatte sich eine warme, gemütliche Atmosphäre erhofft, wie nur eine Frau sie zustande bringt. Wehmütig dachte er an Zlatkas Wohnung, an all die sorgfältig gestalteten Details, obwohl sie mit ihrem Kellnerinnengehalt auskommen musste.
    Pierre ging die Kellertreppe hinunter und stand vor einer gepanzerten Tür. Vier Umdrehungen mit dem Doppelbartschlüssel, und die Tür schwang an perfekt geschmierten Scharnieren auf. Lange Neonröhren beleuchteten einen fensterlosen Raum, der wie ein Labor aussah. Er stellte sich in die Mitte des Kellers und versuchte sich darüber klar zu werden, was er suchen sollte. Ein Schreibtisch, ein Arbeitstisch mit Mikroskop und anderen Geräten, an zwei Wänden Bücherregale voller dicker Bände, Hefte und Ordner, in einer Ecke eine Kühltruhe. Pierre ging hin und klappte den Deckel auf. Drinnen befanden sich vier kleine Plastikkisten, hermetisch geschlossen. Er nahm eine heraus und stellte sie auf den Tisch. Erst konnte er den Inhalt nicht ganz identifizieren. Offenbar handelte es sich um ein kleines Tier, möglicherweise ein Lamm, aber irgendetwas daran war seltsam. Ihm fehlten die Augen, an deren Stelle saßen zwei Öhrchen. Er sah auch in den anderen Kisten nach: noch drei solche Monster. Er machte ein paar Fotos mit dem Handy. Pierre
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