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Toedlicher Staub

Toedlicher Staub

Titel: Toedlicher Staub
Autoren: Massimo Carlotto
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erst seit kurzem in der Stadt ist.«

    Nina ließ sich aufs Sofa fallen. »Ich schlafe hier.«
    »Nein«, sagte Pierre und ließ nicht mit sich reden. Das war das Mindeste, was er für sie tun konnte nach dem, was sie erlebt hatte.
    Er war so müde, dass er schlief wie ein Stein. Viele Stunden später weckte ihn die Tageshitze, die das kleine Wohnzimmer erfüllte, aber Lust aufzustehen bekam er erst dank des Kaffeedufts.
    Die Tierärztin saß vor einer Tasse am Küchentisch, neben sich eine Flasche Brandy, die Nazzari aus dem Lager der Bar hatte mitgehen lassen.
    Ihr Gesicht war verheult, die Stimme vom Schnaps verquollen. »Ich weiß nicht, was ich tun soll«, jammerte sie.
    Er breitete die Arme aus. »Sie haben dir einen Computer geklaut, Nina. Das ist doch kein Weltuntergang«, sagte er und griff zur Kaffeekanne. Er wollte sie dazu bringen, weiter von ihrer Arbeit zu erzählen.
    »Das verstehst du nicht …«
    »Ich weiß ja kaum etwas, wie soll ich es da verstehen?«, entgegnete er sanft und verständnisvoll. »Ich würde dir gern helfen, vielleicht nur mit einem Rat, aber gestern Nacht hast du gemeint, ich halte dich für verrückt, wenn du mir sagst, wen du verdächtigst.«
    Nina putzte sich die Nase. »Ich glaube, das war die Konkurrenz. Industriespionage«, sagte sie in einem Zug.
    Pierre setzte sich ihr gegenüber. »Tatsächlich?«
    »Ich arbeite für ein Unternehmen, das Schutz für Militärs anbietet«, erklärte sie. »Overalls, Masken …«
    Nazzari dachte daran, wie mühsam es gewesen war, das alles vor dem Exerzieren anzuziehen. »Für Gasangriffe, biologische Kriegsführung, so was?«
    »Nicht ganz.« Sie blickte ihn kurz prüfend an, dann schnaubte sie verächtlich. »Ach, was soll’s, wer weiß, in was für Hände meine Daten gelandet sind. Das Unternehmen finanziert alle möglichen Forschungen in dem Bereich, der als größtes Business der Zukunft gilt: der Schutz vor Nanopartikeln.«
    »Ich dachte, du bist Tierärztin?« Er sah die kleinen Monster aus der Tiefkühltruhe vor sich.
    »Genau. Ich untersuche die Wirkung von Nanopartikeln auf Schafe.«
    Pierre begriff immer weniger. »Schafe leisten doch keinen Militärdienst …«
    Nina lächelte. »Stimmt, aber ich interessiere mich für welche, die im Gebiet des Sperrgebiets von Salto di Quirra leben, und das ist total mit Nanopartikeln verseucht.«
    Er hatte Kollegen gekannt, die dort gearbeitet hatten; alle nannten das Gelände Perdas de Fogu, nach dem Dorf, in dem der Stützpunkt lag. »Jetzt verstehe ich«, unterbrach er sie, »du meinst diese böse Geschichte mit dem abgereicherten Uran. Ich hab gehört, dass schon Soldaten gestorben sein sollen …«
    Sie schüttelte den Kopf. »Abgereichertes Uran an sich ist gar nicht so radioaktiv, dass es gesundheitsschädlich wäre. Problematisch wird es erst, wenn damit geschossen wird. Warst du beim Militär, Marco?«
    »Ja, natürlich.«
    »Gut, dann verstehst du ja, wovon ich rede.« Sie tat einen ordentlichen Schuss Brandy in ihren Kaffee. »Uranprojektile erreichen enorm hohe Temperaturen und damit eine gewaltige Durchschlagskraft.«
    Armor Piercing Incendiary , erinnerte sich Pierre.
    »Ein Projektil erreicht Temperaturen von dreitausend Grad und durchschlägt ohne weiteres die Wände von Panzern und Panzerwagen«, fuhr Nina fort. »Diese Temperaturen führen auch dazu, dass die Munition beim Aufschlag teilweise pulverisiert wird. Atmet man das ein, lagert sich die Substanz in Knochen, Nieren, Leber und den Lungen ab, außerdem im Körperfett und in den Muskeln. Der Fachbegriff lautet Sublimation, was bedeutet, dass das Material direkt aus einem festen Zustand in einen gasförmigen übergeht, ohne sich vorher zu verflüssigen. Mikroskopisch feine Tröpfchen sind das, wie ein Aerosol. Sie verteilen sich in der Umgebung. Sobald man sie einatmet, sind sie über die Lungen innerhalb von sechzig Sekunden im Blut, und sechzig Minuten später haben sie die Leber erreicht.«
    »Und diese Nanopartikel machen die Soldaten krank?«
    »Genau. Und zwar auf sehr lange Sicht, denn der Körper kann sie nicht ausscheiden. Um jeden einzelnen von diesen Partikeln bildet sich eine Granulomatose, eine Art winziger Entzündungsherd, der auf immer und ewig so besteht oder aber in eine Tumorform übergehen kann.«
    »Und dasselbe bei Schafen?«
    »Ja, denn sie fressen das mit Nanopartikeln kontaminierte Gras. Wertvoll sind sie für uns vor allem deshalb, weil man sie untersuchen kann. Die toten Soldaten werden als
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