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Toedlicher Staub

Toedlicher Staub

Titel: Toedlicher Staub
Autoren: Massimo Carlotto
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Giacomo Queirolo, Leutnant im Zweiten Fallschirmjägerregiment der Fremdenlegion.
    Ihm hatte der Deserteur alles erzählt. Darum war er zu ihm gegangen. Queirolo war der einzige Mensch, dem er solch eine Geschichte voller Verrat und Tod anvertrauen konnte. Pierre Nazzari war sicher, er würde nur dann Didier Vilrouge werden können, wenn er sich von dieser Last befreite. Der Leutnant hatte ihn aufgenommen und ihm zugehört. Und er hatte ihn zu einem Arzt und einem Zahnarzt gebracht.
    Eines Abends schließlich hatte der Leutnant ihm einen wohlgekleideten Mann in den Sechzigern vorgestellt, begleitet von zwei gefährlich dreinblickenden Vierzigjährigen.
    »Mein Name ist Goujon«, stellte der Mann sich in unbeholfenem Italienisch vor, »und ich jage jemanden, den Sie gut kennen: Michele Ceccarello.«
    Pierre bedachte seinen Freund von der Fremdenlegion mit einem traurigen Seitenblick. »Werde ich jetzt seine Hure?«
    Der Mann lachte auf. »Nein. Ich habe nur einen Vorschlag zu machen. Sie müssen ihn nicht annehmen …«
    Und so war er nach Venedig zurückgekehrt, diesmal nicht, um nach Cagliari zu fliegen, sondern um auf ein riesiges Schiff voller Touristen zu gehen, das unter italienischer Flagge nach Griechenland und in die Türkei fahren sollte.
    Pierre warf einen Blick in die Papiertüte, in der er die Spielchips aufbewahrte. Er verlor wirklich zu viel, bald hatte er die allabendliche Summe verbraucht, die die Franzosen ihm zur Verfügung stellten. In der Hoffnung, nicht allzu bald in die Kabine zurückzumüssen, wechselte er an einen anderen Automaten. Am nächsten Tag würde das Schiff in Istanbul haltmachen, und er sollte erstmals an Land gehen. Das einzige Mittel gegen die Anspannung war, sich in dem Lärm dieser Apparate zu verlieren, mit dem sie den Gewinn anzeigten. Nach ein paar Runden jedoch hatte er alles verloren, wie nicht anders zu erwarten. Er trank noch einen Cognac. Den letzten ließ er sich in der Kabine servieren, um nicht so allein mit der Einsamkeit zu sein.
    Am nächsten Morgen saß er mit den anderen Passagieren, die eine Stadtrundfahrt gebucht hatten, in einem großen, auch als Theater fungierenden Saal. Er trug die Kleidung, die zu dem Anlass verteilt worden war, eine Jacke und eine beidseitig tragbare Mütze, auf dem Rücken einen kleinen Rucksack. Eine Betreuerin befestigte ihm eine selbstklebende Nummer auf der Brust und ermahnte ihn, sich nicht von der Gruppe zu entfernen.
    Sie stiegen in einen Autobus, der sie in der Stadt herumfuhr. Der Reiseführer, ein Typ in den Fünfzigern, hatte in Italien studiert, war effektiv und gut vorbereitet und zeigte ihnen den ganzen Vormittag über Moscheen, Paläste und Museen. Der Deserteur trabte mit der Herde mit und tat beständig so, als interessiere ihn, was er durch das Busfenster sah.
    Endlich durften sie in der Nähe des Großen Basars aussteigen, und der Reiseführer verkündete, sie hätten jetzt zwei Stunden »Freizeit«, um sich die Geschäfte anzusehen und Gewürze und Kunsthandwerk einzukaufen.
    Nun verließ Pierre die Gruppe und begab sich in die inneren Gässchen, einem auswendiggelernten Weg folgend. Erst betrat er ein Geschäft mit Antiquitäten und kaufte dort einen Gegenstand aus dem frühen 20. Jahrhundert, dann einen Lampenladen, durch dessen Schaufenster man die Tischchen eines winzigen Cafés gut im Blick hatte. Er tat so, als interessiere er sich für die Reproduktion einer alten Öllampe, und begann einen umständlichen Feilschhandel, währenddessen er immer wieder in die Richtung schielte, die ihn wirklich interessierte.
    Ceccarello kam nach ein paar Minuten, nahm Platz und bestellte etwas zu trinken. Ein Zufall war das nicht, man hatte ihn unter einem Vorwand zu dieser Stunde an diesen Ort gelockt. Pierre wusste nicht, wie das gelungen war, er wusste nur, dass Ceccarello sich für gewisse Geschäfte in der Türkei aufhielt, die dem französischen Geheimdienst ganz und gar nicht passten.
    Er meinte, die Lampe gefalle ihm doch nicht genug, und verließ das Geschäft über eine Gasse, die parallel zu der mit dem Café verlief. Dann nahm er einen Quergang und lief etwas zurück, bis er sich im Rücken des Gesuchten befand. Er zog sich die Mütze tiefer in die Stirn, trat hinter Ceccarello und schob ihm das zuvor gekaufte alte Kurzbajonett zwischen die Nackenwirbel.
    Ceccarello merkte nicht einmal mehr, dass er starb. Als sein Leib vom Stuhl glitt, war Pierre schon weit weg. Auf einem anderen zuvor detailliert gelernten Weg
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