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Toedlicher Staub

Toedlicher Staub

Titel: Toedlicher Staub
Autoren: Massimo Carlotto
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Pierre, der sich gerade die Hände wusch.
    Er streichelte das Springmesser, das er immer im Gürtel bei sich trug. Er hätte sofort hineingehen und beide ohne weitere Probleme kaltmachen können. Leider hatte Franchino, der Sack, beschlossen, dass sie erst gegen Morgen aktiv würden, da die beiden Pistolen mit Schalldämpfer, die er bestellt hatte, nicht vor Mitternacht im Hafen eintreffen würden. Darüber hatten sie eine heftige Auseinandersetzung gehabt.
    »Was willst du mit zwei Schießeisen, wenn wir mit der Klinge arbeiten können?«, hatte er ihn verblüfft gefragt.
    »Weil es nicht nötig ist, ein Duell zu riskieren.«
    »Mit wem denn? Mit der Frau und diesem Idioten?«
    »Vergiss nicht, der Idiot, wie du ihn nennst, war in Afghanistan.«
    »Na und?«
    »Und was?«
    »Willst du sagen, vor so einem hast du Angst?«
    »Angst habe ich vor niemandem.« Darauf legte Franchino Wert. »Ich sage nur, warum etwas riskieren, wenn wir ganz und gar auf Nummer sicher gehen können.«
    »Ich hab dich beobachtet«, sagte der Neapolitaner. »Du taugst nur als Bodyguard. Sonnenbrille, schusssichere Weste, Kopfhörer und die Taschen voller Ersatzmagazine.«
    »Heute Nacht zeige ich dir schon noch, wozu ich fähig bin.«
    Luca reichte ihm das Messer an der Klinge. »Zeig’s mir jetzt«, provozierte er ihn. »Lass uns hinfahren und die beiden Täubchen hopsnehmen.«
    »Ich habe nein gesagt.«
    »Ich hab’s gewusst. Du bist ein Feigling.«
    Franchino hätte ihn am liebsten angegriffen, wenn er es gewagt hätte. Aber trotz seiner Worte konnte man ihm die Angst an den Augen ablesen.
    »Du gehst auf Erkundung«, befahl er. »Ich will da nicht ankommen und feststellen, dass dieser Trincas uns beschissen hat.«
    Nein, er hatte die Wahrheit gesagt. Luca spähte noch einmal nach dem Deserteur und sah, wie er das Hemd hochzog und vorsichtig seine Rippen befühlte. Der war mehr als ungefährlich. Kurz war er versucht, auf Franchinos Befehle zu scheißen, aber zwei Erwägungen hielten ihn davon ab. Erstens war sein Partner ein Schaumschläger, der lieber abseits blieb und sich eins grinste; der sollte sich auch mal die Hände schmutzig machen. Außerdem brauchte er Arbeit im Ausland, fern von Haftbefehlen der Mafiajäger, und in diesen Kreisen hat man nicht lange Arbeit mit dem Ruf eines, der Scherereien macht.
    Beim Rückweg sah er auf einmal Nina, die im offenen Fenster rauchte. Er stand exakt auf ihrer Höhe im Dunkeln, keine zwanzig Meter entfernt. Reglos wartet er, bis sie die Kippe wegwarf und hineinging. Dann ging auch er, sicher und gefährlich wie ein Wolf in der Nacht.

    Pierre schrak hoch. Er hatte sich nur zum Schein hingelegt, war dann aber tief eingeschlafen. Wie spät mochte es sein? So geräuschlos wie möglich schlich er zur Toilette, wo er nach der Uhr schauen konnte, ohne Nina zu wecken. Zehn vor fünf. Zeit, sich aufzumachen, wenn er um sieben in der Stadt sein wollte. Er schlich zurück ins Zimmer, zog sich an, verteilte das Geld auf verschiedene Taschen und kletterte aus dem Fenster.
    Kälte und Anspannung ließen ihn erschauern. Immer wieder drehte er sich auf der Schotterpiste um, voll Angst, im Haus könnte ein Licht angehen. Plötzlich sah er Scheinwerferlicht, das sich näherte, und sprang mit einem Satz ins Feld. Der Wagen fuhr an ihm vorbei und hielt nicht weit entfernt. Als die Türen sich öffneten und die Innenbeleuchtung anging, erkannte er die beiden Männer und wusste sofort, wer es war und was sie vorhatten. Er hörte sie flüstern und vor allem das typische Geräusch einer Automatikwaffe, die gerade durchgeladen wurde. Nina war geliefert. Keinerlei Möglichkeit, sie zu warnen. Nie im Leben könnte er vor den beiden dort sein, sie wecken und wegbringen. Er verfluchte Sebastiano Trincas, der sie verraten haben musste, und jetzt wollte er nur noch seine eigene Haut retten.
    Luca ging sicheren Schritts auf das Haus zu, dicht von Franchino gefolgt. Der Neapolitaner hatte sich genau eingeprägt, wie er das Ziel unbemerkt erreichen konnte. Sie stiegen durchs Badezimmerfenster ein und durchsuchten das Haus. Nina bemerkte nichts davon, bis sich ihr etwas Kaltes, Hartes in die Wange bohrte. Sie schrak auf und blickte in das Licht zweier Stablampen. Ein Pistolenlauf zerkratzte ihr das Gesicht.
    »Wo ist er?«, fragte Franchino.
    »Wer?«, stotterte sie.
    »Pierre Nazzari.«
    Zum zweiten Mal in ihrem Leben wurde sie unsanft von Leuten aus dem Schlaf geholt, die entschlossen waren, ihr wehzutun. Es war
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