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Toedlicher Staub

Toedlicher Staub

Titel: Toedlicher Staub
Autoren: Massimo Carlotto
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herkommen.«
    »Setz dich hin. Wir müssen uns unterhalten«, wiederholte Tore seelenruhig. »Sonst siehst du sie nicht wieder. Du weißt doch, wozu diese Leute in der Lage sind.«
    Mit einem Grunzen nahm Sebastiano das Messer weg und setzte sich ebenfalls. »Du weißt nicht, wozu ich imstande bin.«
    »Du machst mir keine Angst. Außerdem habe ich deine Frau.«
    »Und ich habe die Aufnahme, mit der ich dich drankriegen kann.«
    »Mario ist tot.«
    »Was?«
    »Verkehrsunfall.«
    Das Messer glitt zu Boden. »Du hast deinen Partner umgebracht?«
    »Ich sag dir doch: ein bedauerliches Unglück. Wer weiß, wie oft in Italien solche Unfälle die Dinge wieder ins Lot gebracht haben. Aber lass uns über Gloria reden, das ist wichtiger.«
    »Ich gebe dir die Aufnahme. Ich habe keine Kopien gemacht, das schwöre ich.«
    Moi grinste. Schon war Trincas in die Knie gezwungen. So lief es doch immer. Überraschung, Empörung, Wut, dann fügten sich alle und versuchten zu retten, was zu retten war. »Das reicht nicht«, entgegnete er. »Ich will auch den Deserteur und die Tierärztin.«
    Sebastiano erstarrte. Noch so ein Schlag, und er würde in tausend Stücke zerspringen. Tore verlor keine Zeit: »Damit rettest du Gloria und dir das Leben. Wenn du nicht redest, können wir nicht verhandeln, und dann bist du mir zu nichts mehr nutze.«
    Sebastiano hatte bereits beschlossen mitzuspielen. Nur sah er nicht mehr klar genug, um sich nicht noch weiter ausnutzen zu lassen. Das hatte Moi begriffen und half ihm dabei, die Tür zur Denunziation weit aufzustoßen. »Wir machen das so«, sagte er in vertraulichem Tonfall, »ihr verabredet euch irgendwo in der Öffentlichkeit, mitten unter Menschen. Sie übergeben dir Gloria und du ihnen einen Zettel mit der Adresse. Wenn du Zicken machst, stirbt sie, und eine Schießerei mitten in der Menge ist doch immer etwas Unschönes, oder?«
    Trincas nickte besiegt.
    »Jetzt gib mir die Kassette mit der Aufnahme.«
    Sie war in einer Arzneimittelschachtel versteckt.
    »Braver Junge.« Moi tätschelte ihm die Wange. »Ich helfe dir, deine Bar wieder aufzubauen. Ja, ich werde dein stiller Teilhaber.«

    Der Austausch fand drei Stunden später in der Bar eines Veranstaltungszentrums statt. Gloria war leichenblass, die Augen gerötet. Luca, der Neapolitaner, hatte ihr den Arm um die Schultern gelegt, die andere Hand in einer Gürteltasche. Auch Franchino trug so eine Tasche. Er streckte die geöffnete Hand aus, und Sebastiano gab ihm ein doppelt gefaltetes Stück kariertes Papier. Es hatte nicht genügt, Straße und Hausnummer aufzuschreiben, er hatte eine ganze Anfahrtsskizze zeichnen müssen. Der Ex-Söldner warf einen Blick darauf, nickte zufrieden und drehte sich zu seinem Partner um, der die Frau losließ.
    Gloria trat rasch zu ihrem Mann, der sie bei der Hand nahm. »Komm! Bloß weg hier.«
    Bevor er in seinen Wagen stieg, drehte sich Trincas noch einmal kurz um und begegnete Lucas Blick. Ausdruckslos wie immer, als könnte nichts ihn rühren.
    »Gloria, mein Gott, Gloria«, murmelte er, während er sie umarmte.
    Sie machte sich los. »Fass mich nicht an!«, schrie sie. »Niemand soll mich anfassen!«
    »Liebling, ich bin es doch.«
    »Bleib mir bloß von der Pelle!«, rief sie noch lauter. »Wo bist du da reingeraten? Du hattest mir versprochen, mit dem Scheißzeug aufzuhören!«
    »Das hat alles mit Koks nichts zu tun.«
    »Ach, und warum haben die sich dann die ganze Zeit was reingezogen?«, stotterte sie.
    »Haben sie dich gut behandelt?«
    »Halt den Mund und bring mich endlich nach Hause.«
    Trincas steckte den Schlüssel ins Zündschloss. Sobald sie sich beruhigt hatte, würde er ihr eine maßgeschneiderte Geschichte erzählen, und alles würde sich beruhigen. Er fühlte sich wie ausgeleert. Und wie ein Stück Scheiße. Bald würde er vier Leben auf dem Gewissen haben, zwei eigenhändig umgebracht, zwei durch Verrat. Jetzt, da seine Frau wieder frei war, hätte er versuchen können, Nina und Pierre zu retten. Der Gedanke daran berührte ihn kaum. Für ihn waren sie schon tot, zwei weitere Opfer bester Absichten. Am allermeisten entsetzte ihn die Aussicht, Tore Mois Sklave zu werden und ohnmächtig zusehen zu müssen, wie er allmonatlich sechzig, siebzig Prozent des Verdienstes abschöpfte.
    Er drehte sich um und sah Gloria an. Gott, was liebte er diese Frau.

    Nina trat vors Haus, um den Sonnenuntergang zu betrachten. Die Tage wurden immer kürzer. In Perdas de Fogu hatte sie manchmal zu dieser
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