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Toedlicher Staub

Toedlicher Staub

Titel: Toedlicher Staub
Autoren: Massimo Carlotto
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weiterspielen, ins Bett würde sie mit Tore jedoch nie und nimmer gehen, er widerte sie an, und Mario hatte so etwas Mieses nicht verdient. Sie musste noch viele Jahre lang für ihre Tochter sorgen, und Tore sollte sich großzügig zeigen. Sie hob den Blick und begegnete demjenigen des Ex-Finanzpolizisten, der ihn nicht einen Moment von ihr gewandt hatte. Er trug ordentlich auf, immerhin war er sicher, einer schwachen, verwirrten Frau gegenüberzustehen. Lisa hielt dem Blick stand, er sollte erkennen, dass sie begriffen hatte und dass sie nicht dumm war.
    Anna Paola waren diese Blicke nicht entgangen, doch war sie keineswegs besorgt, im Gegenteil. Seit langem schon hoffte sie, Tore würde sich eine Geliebte suchen und sie in Ruhe lassen. Sie starrte Lisa an, bis die sie anschauen musste, und lächelte ihr zweideutig zu, ganz, als wäre sie hier nicht auf einer Beerdigung.
    Tore hingegen hätte sich Sorgen machen müssen, doch war er der Ansicht, wenn der Verstorbene einem nicht so nah ist, dass man weinen muss, dann ist es bei einer Beerdigung besser, an etwas anderes zu denken, sonst gewinnt der Tod mit all seinen Fragen überhand über den Geist und macht einen grundlos traurig. Außerdem hatte er sich auf Lisa auch darum konzentriert, um nicht auf die Uhr zu sehen. In etwas weniger als einer Stunde sollte er den Senator und die anderen zu einer außerordentlichen Sitzung treffen. Am Vortag war ein Artikel erschienen, dessen Verfasser die Hypothese vertrat, verschiedene am Bau von Drohnen beteiligte Unternehmen wollten Salto di Quirra verlassen und die nötige Gastfreundschaft in anderen Regionen suchen.
    Die Nachricht hatte alle in Panik versetzt. Die politischen Gegner hatten die Stimme erhoben, und der Senator hatte aus Rom per Telefon eilends die Sitzung anberaumt.
    Tore sah zu, wie der Sarg an ihm vorübergetragen wurde, dann kondolierte er abermals und ging raschen Schritts hinaus, ohne die Grüße und ausgestreckten Hände der Gäste zu beachten. Diese Beerdigung hatte jetzt schon zu viel von seiner Zeit geraubt.

    Das Flugzeug des Politikers hatte Verspätung, was dieser für einen kurzen Auftritt im Fernsehen nutzte, wie früher, wenn er zu Spätabendsendungen eingeladen worden war, bei denen die Gäste einer nach dem anderen im Sessel Platz nahmen.
    »So besorgte Gesichter aber auch«, wollte er scherzen, als die Sitzung begann. »Habt ihr schon erfahren, dass ich nicht für die Region kandidiere?«
    »Bring uns gute Nachrichten«, unterbrach ihn der Ex-General.
    Der Senator setzte sich und goss sich ein Glas Wasser ein.
    »Das Leben ist hart«, meinte er philosophisch. »Vor allem in diesen Zeiten.«
    »Und wie hart ist es für uns?«, fragte der für die öffentlichen Aufträge Verantwortliche.
    »Hart genug«, antwortete er. »Wir sind nicht die Einzigen, die sich für diesen Bereich interessieren – aber wir verfügen als Einzige über ein Gelände, das so geeignet ist, dem Umweltaspekt der Tests standzuhalten.«
    Er blickte alle an, bevor er fortfuhr: »Denn das ist unser Trumpf. Am Ende ist das das Einzige, was zählt. Das Einzige.«

EPILOG
DIE KREUZFAHRT DES DESERTEURS
    Mit raschen, sicheren Bewegungen steckte Pierre Nazzari die Geldstücke in den Schlitz des Spielautomaten. Dann berührte er den Knopf mit dem Zeigefinger, und schon begrüßte eine fröhlich-metallische Stimme den neuen Spieler. Er winkte den philippinischen Kellner heran und bestellte etwas zu trinken. Erst danach konzentrierte er sich aufs Spiel. Er wollte zu gern wissen, warum das Glück ihm nicht mehr hold war. Bis vor zwei Tagen hatte er gewonnen, keine Riesenbeträge, aber er war nie mit leeren Händen in die Kabine zurückgekehrt. Er machte eine Pause, um einen Schluck Cognac zu trinken und die Rechnung mit seinem neuen Namen abzuzeichnen: Didier Vilrouge.
    Pierre-Didier war das typische Opfer für so ein Kreuzfahrtschiff-Casino, obwohl er noch nie eines betreten hatte, auch nicht an Land. Er kannte sich damit so wenig aus, dass er nie gewagt hatte, sich einem Roulette- oder Baccarat-Tisch zu nähern, und sich mit den Einarmigen Banditen begnügte, bei denen er sich ebenso hochkomplizierten wie überflüssigen statistischen Berechnungen hingab. Niemand hatte ihm erklärt, dass die Bank immer gewinnt und die Automaten auf den Schiffen nur an den ersten Tagen ordentliche Gewinne ausspucken, damit die dummen Hähnchen sich für großartige, vom Glück begünstigte Spieler halten. Dann werden die Gewinne immer schmäler, und
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