Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödlicher Kick

Tödlicher Kick

Titel: Tödlicher Kick
Autoren: Lucie Flebbe
Vom Netzwerk:
Verbandkasten.
    »Die Zeit ist um, ich höre«, zischte er, als er den Kasten neben mir auf die Motorhaube stellte.
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
    »Red keinen Scheiß! Du machst das doch nicht zum ersten Mal. Das hätte ich eigentlich schon nach unserem Besuch bei Sophie Meister kapieren müssen.« Mit den Zähnen riss er eine Mullkompresse auf.
    Ich öffnete den Mund.
    Er hob warnend den Zeigefinger: »Denk nicht mal dran zu lügen.«
    Ich machte den Mund wieder zu.
    »Na schön, dann erzähl mir erst mal, wie oft du dich schon selbst verletzt hast«, änderte er seine Taktik unvermittelt, während er meine Hand verband. Als würde er eine Zeugin befragen. Konnte er nicht wenigstens ›ritzen‹ sagen? ›Sich selbst verletzen‹ klang nach Psychiatrie.
    »Wie oft?«, ließ Danner nicht locker, während er die Kompresse mit einer Bandage umwickelte.
    Mein Gehirn rotierte auf der Suche nach einer Antwort, die mich nicht wie eine Irre dastehen ließ.
    »Herzlichen Glückwunsch! Mit jeder Topfpflanze kann man tiefsinnigere Gespräche führen als mit dir.« Danner donnerte den Verbandkasten frustriert zu. »Klugscheißerin.«
    Arsch.
    »Na schön«, kapitulierte ich knurrend. »Wenn du es unbedingt wissen willst: oft.«
    Allerdings hatte ich früher offensichtliche Stellen gemieden. Ausgerechnet die Hand zu nehmen, grenzte wirklich an geistige Umnachtung.
    »Und die Tabletten bei Sophie Meister?«
    »Learning by doing«, gestand ich.
    Er verzog keine Miene.
    Pokerface, er verschaffte sich Zeit zum Nachdenken.
    »Meine Mutter verfügt über eine gut sortierte Auswahl an Beruhigungs- und Schlafmitteln«, informierte ich ihn kühl.
    Seine Augen wurden schmal: »Du wolltest dich umbringen?«
    »Nicht wirklich, sonst würde ich hier ja nicht sitzen«, sagte ich verächtlich, während ich vor Wut kochte, weil er mich zwang, das zuzugeben.
    Aber er hatte ja angedroht, mir meine Missachtung seiner Privatsphäre heimzuzahlen, fiel mir ein. Jetzt nutzte er die Gelegenheit, sich zu rächen.
    Dann bemerkte ich einen irritierenden Schimmer seiner Augen, der meine Wut augenblicklich verpuffen ließ. »Ich habe schon ewig nicht mehr daran gedacht, Ben. Ehrlich.«
    »Vorsicht mit dem Wort«, warnte er.
    »Ungelogen.«
    »Was ist dann eben da drinnen passiert?«
    »Keine Ahnung.«
    »Denk mal scharf nach«, forderte er unnachgiebig. »Was ist passiert, bevor du auf die Idee kamst, dir mal eben die Hand aufzuschlitzen?«
    Mir war schwindelig geworden.
    In der Kapelle.
    Während der Trauerrede. Als –
    »Oh.«
    Ich spürte, wie meine Hände zu zittern begannen.
    Danner verschränkte die Arme: »Ich höre dir immer noch zu.«
    »Deine Mutter«, murmelte ich.
    »Was ist mit meiner Mutter?«
    »Sie will uns das Geld für die Beerdigung geben.«
    »Hab ich mitgekriegt«, nickte er.
    »Und ich … dann …« Ich merkte, dass es mir schwerfiel, es auszusprechen. Ich holte tief Luft. »Sie hat gesagt, dass sie stolz auf dich ist.«
    Danach war mir schwindelig geworden.
    Danner musterte mich kurz.
    »Okay«, sagte er nur und warf den Verbandkasten in den Fußraum.
    Okay? Wieso fragte er nicht weiter?
    »Was meinst du mit ›okay‹?«, wollte ich wissen.
    »Hab’s kapiert«, sagte Danner.
    Echt?
    »Und was genau hast du kapiert?«
    »Dass sie dich dran erinnert hat, dass deine Eltern nicht stolz auf dich sind.«
    »Wie bitte? Hast du sie noch alle?«, fuhr ich ihn an.
    »Und du schaffst es nicht, so zu tun, als würden dir deine Eltern am Arsch vorbeigehen.« Ein klitzekleinwenig Triumph in der Stimme konnte Danner sich nicht verkneifen, als er mir vorhielt, was ich ihm erst vor ein paar Tagen an den Kopf gepfeffert hatte.
    Meine Ohren fingen an zu rauschen, als stürzte eine Sturmflut auf mich nieder.
    O Gott.
    40.
    Es macht dir was aus, dass sie dich nicht mögen!
    Was ist los mit dir, dass deine eigenen Eltern dich nicht ausstehen können? Was stimmt mit dir nicht?
    Ich hörte Stimmen. Dabei war es vollkommen still in unserer Wohnung.
    Eindeutig wurde ich verrückt.
    Ich zog mir die Sofadecke über den Kopf und hielt mir die Ohren zu. Mir blieb nichts anderes übrig, als zu warten, bis Danner zurückkam und mich ablenkte.
    Doch das konnte noch eine Weile dauern, denn Danner war eben erst verschwunden. Seine Mutter verabschiedete sich gerade in der Kneipe von Molle und Curly. Sie würde den Nachtzug zurück nach Frankreich nehmen. Danner brachte sie zum Bahnhof.
    Du schaffst es nicht, so zu tun, als ob deine Eltern dir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher