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Tödlicher Kick

Tödlicher Kick

Titel: Tödlicher Kick
Autoren: Lucie Flebbe
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am Arsch vorbeigehen!
    Error auf meiner Festplatte. Mit meinen eigenen Argumenten hatte Danner mich schachmatt gesetzt.
    Er hatte mein Problem so selbstverständlich diagnostiziert, als hätte ich einen Schnupfen. Während ich einfach davongelaufen war.
    Aber es war natürlich was dran.
    Meine Eltern mochten mich einfach nicht. Nicht weil ich ein kiffendes Kind mit lila Haaren gewesen war. Sondern von Anfang an. Schon als kleines, niedliches Mädchen mit blonden Zöpfen hatten sie mich nicht gemocht, anders war mein Schädelbruch mit sechs Jahren nicht zu erklären.
    Vielleicht hatten sie ja schlicht und einfach kein Mädchen gewollt? Meinen Bruder vergötterten sie schließlich heute noch.
    Meine Alkoholexzesse, das Schuleschwänzen, die Punkfrisuren und der wahllose Sex, mein ganzes, skurriles Dasein war nur eine schrille Fassade gewesen, die mir selbst eine Begründung dafür liefern sollte, dass meine Eltern mich nicht leiden konnten.
    Dadurch war mein Leben zu einer erbärmlichen Aneinanderreihung missglückter Selbstzerstörungsversuche geworden. Peinlich und erfolglos. Jahrelang hatte ich vor einem ganzen Schrank voll verschreibungspflichtiger Narkotika gesessen und nicht den Arsch in der Hose besessen, mir einen hochprozentigen Cocktail zu mixen.
    Lächerlich.
    Das alles lag lange nicht so weit hinter mir, wie ich es mir eingebildet hatte. Immer noch konnte ich eine gewisse Bereitschaft zur Selbstzerstörung schlecht leugnen.
    Vielleicht hatte Curly ein ähnlicher Selbsthass in die Prostitution geführt, mich jedenfalls brachte er offenbar dazu, mich immer wieder durch leichtsinnige Ermittlungen in die haarsträubendsten Situationen zu manövrieren. In der unbewussten Hoffnung, dass das effektiver war als ein zu lascher Medikamentencocktail?
    Ich presste mir die Fäuste gegen die Schläfen.
    Danner hatte das durchschaut. Er wusste das alles über mich. Wie sollte ich mit ihm zusammen sein, wenn ihm klar war, dass jeder geprügelte Köter ein stabileres Selbstwertgefühl besaß als ich?
    Das Sinnvollste war abzuhauen, solange Danner es nicht mitbekam, schoss es mir durch den Kopf. Einfach irgendwo anders noch mal neu anzufangen und aufzupassen, dass mir niemand mehr so nahe kam.
    Nein.
    Abhauen kam nicht infrage.
    Zurück zur bewährten Methode: einfach nicht drüber nachdenken.
    Ich schleuderte die Decke zur Seite und lief in die Küche. Mit beiden Händen zerrte ich die Langhantel unter dem Küchentisch hervor.
    Meine Fresse, war das eine Menge Eisen. Zwei große und eine etwas kleinere Scheibe zählte ich an jedem Ende des Trainingsgewichtes. Zehn und fünf Kilo. Also fünfzig Kilo. Plus Stange.
    Ich rollte sie quer vor den Herd und spuckte in die Hände.
    »Uff!« Über meinen Kopf auf die Schultern hob ich das Ding definitiv nicht. Deshalb hielt ich die Hantel einfach vor meinem Körper, als ich mit den Kniebeugen begann.
    Meine Eltern mochten mich nicht?
    Das beruhte auf Gegenseitigkeit! Verrecken sollten sie meinetwegen. Aber ich würde ihnen garantiert kein Begräbnis sponsern, das konnte mein Bruder Claudius übernehmen. Ich würde es wie Danners Mutter machen: ein fröhliches Kleid anziehen, eine Pulle Sekt mitnehmen und sichergehen, dass sie wirklich unter der Erde landeten!
    Neun. Mehr schaffte ich beim besten Willen nicht. Der alte Holzfußboden knackte bedenklich, als ich die Hantel rumpelnd fallen ließ.
    Meine Muskeln brannten, der Schweiß kringelte meine Haare im Nacken, aber irgendwie tat mir das gut.
    Ich startete den zweiten Durchgang. Leider war diesmal bei der fünften Wiederholung Schluss. Den dritten Durchgang beendete ich nach drei Kniebeugen. Mein Blick zur Uhr sagte mir, dass ich genau drei Minuten trainiert hatte. Zeit totschlagen ging anders.
    In dem Moment klackte die Wohnungstür.
    Ich gab der Hantel einen Schubs mit dem Fuß und spähte aus der Küchen. Curly kickte ihre Schuhe unter die Garderobe.
    Die Rettung vor den Stimmen in meinem Kopf.
    »Ben und Gitta sind gerade losgefahren«, informierte sie mich, während sie ans Sofa trat und anfing, ihre herumliegenden Sachen in ihren Rucksack zu stopfen. »Paps ist wieder draußen. Er sagt, er bezahlt eure Rechnung. Ich haue dann jetzt auch ab.«
    Ich verschränkte die Arme vor der Brust und stellte mich vor die Wohnungstür. »Ach ja? Und wo willst du hin? Sag bloß nicht, arbeiten!«
    Curly hielt inne. Einen Augenblick sah sie mich an.
    Dann lächelte sie plötzlich. Ein breites, strahlendweißes Lächeln. Ich konnte mich nicht
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