Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödlicher Applaus

Tödlicher Applaus

Titel: Tödlicher Applaus
Autoren: Øystein Wiik
Vom Netzwerk:
Sicherheitskräfte. Hatte die Frau es geschafft? Tom versuchte, den Kopf zu drehen, aber seine Muskeln gehorchten ihm nicht. Dann wurde alles schwarz.
     

Rudi Maier
    Den Brand hatte er nicht voraussehen können, als er die Computeranlage, die die Beleuchtung steuerte, außer Kraft setzte. Einen Augenblick lang überlegte er, umzukehren und bei den Rettungsmaßnahmen mitzuhelfen, aber dann siegte der Verstand über das Herz. Halte dich an den ursprünglichen Plan! Er war den Fluchtweg abgeschritten und kannte ihn mit geschlossenen Augen. Die Dunkelheit war sein Helfer, und das Licht des Handydisplays reichte aus, um sich schnell zu orientieren. Mit einer Hand am Geländer stürmte er die Treppe zum Keller hinunter. Von dort ging es auf der anderen Seite über zwei Treppenabsätze und durch zwei Türen wieder nach oben und an der Meerseite ins Freie. Bis zum Wasser würden es höchstens fünf Meter sein, und die kurze Strecke durch das Wasser zum Containerhafen war für seinen durchtrainierten jungen Körper eine Bagatelle. In einem leeren Container hatte er eine Tüte mit trockenen Sachen deponiert. Danach war es nur ein kurzer Sprint bis zur alten Seefahrtsschule, von wo er die Straßenbahn nach Ljabru nehmen würde.
    Er befand sich noch im Keller, als er die Sirenen hörte. Sie wurden zunehmend lauter. Verdammt effektiv, diese Norweger! War das die Feuerwehr oder die Polizei? Er hoffte auf Erstere, aber diese Hoffnung wurde im Keim erstickt, als er die Tür öffnete. Das Blaulicht- und Sireneninferno machte eine unbemerkte Flucht unmöglich.
    Er hatte auch dieses Szenario im Geiste zigmal durchgespielt und wusste, was zu tun war. Die sofortige Präsenz der Polizei setzte Plan B in Kraft.
    Er drehte um und lief den gleichen Weg wieder zurück in den Zuschauerraum, mischte sich unbemerkt unter die aufgebrachte, panische Menschenmenge. Wie alle anderen schrie und fuchtelte er mit den Armen, riss die Augen auf und legte das Gesicht in ängstliche Falten. Er holte gerade tief Luft, um zu einem weiteren Schrei anzusetzen, als er umgestoßen wurde. Instinktiv rollte er sich zusammen und riss die Arme schützend über den Kopf. Er bekam einen Tritt in die Nieren, der ihm fast den Atem nahm. Der Menschenstrom hinderte ihn am Aufstehen. So blieb ihm keine andere Wahl, als still liegen zu bleiben und zu hoffen, dass die unbarmherzige Menge ihn nicht tottrampelte. Er zählte die Sekunden und spannte jeden Muskel im Körper an, um seine inneren Organe vor weiteren Tritten und Schlägen zu schützen.
    Als es endlich ruhiger wurde, fehlte ihm die Kraft, sich zu erheben. Da packte ihn eine kräftige Hand am Arm. Er schaute nach oben und dachte: Jetzt haben sie mich. Ich bin entlarvt.
    Im Blick des jungen Polizisten lag aber nichts anderes als Besorgnis und Fürsorge. »Alles in Ordnung?« Starke Arme zogen ihn auf die Beine.
    Er konnte sein Glück kaum fassen. Ein überzeugenderer Rückzug von seinem Auftrag war kaum denkbar. Er musste seine Rolle als Opfer nur noch ein paar Minuten durchhalten, dann hatte er es geschafft.
    Draußen herrschte eine Stimmung wie bei einer Oscar-Verleihung: Fernsehkameras, Reporter, Schaulustige hinter Absperrungen, Scheinwerfer und Blaulicht, Polizeiwachen und Feuerwehrmänner. Er vermied es, in eine der Fernsehkameras zu blicken.
    »Sie sollten sich von einem Arzt untersuchen lassen«, sagte der Polizist und führte ihn sicher an allen Hindernissen vorbei zu den Krankenwagen. Die Schlange der Verletzten war lang. »Kommen Sie allein zurecht?«, fragte er nach. »Ich muss wieder hinein. Vielleicht brauchen noch andere meine Hilfe.«
    Er nickte matt und tat so, als hätte er alles verstanden. Sobald der Polizist nicht mehr zu sehen war, scherte er aus der Schlange aus, mischte sich unter die Schaulustigen und bewegte sich rückwärts durch das Gewimmel. Er folgte einer kleinen Gruppe, die offensichtlich genug gesehen hatte und sich auf den Rückweg über die Brücke in die nächtlichen Spätsommergassen machte.
    Es war ein langer Fußmarsch zu der Wohnung im Dalsveien, die er gemietet hatte, aber so wie die Dinge sich entwickelt hatten, war dieser Plan der sicherste. Die Vorstellung, er könnte an einer der zentrumsnahen Haltestellen von einer Überwachungskamera aufgenommen werden, war nicht sehr verlockend.
    Er fror, obgleich der Abend warm und sternenklar war. E lucevan le stelle . Er hatte es geschafft! Euphorie überkam ihn. Medina war tot. Der Drecksack hatte bekommen, was er verdiente. Das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher