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Toedliche Spur

Titel: Toedliche Spur
Autoren: André Marx
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wurde bereits dunkel, aber Justus saß noch immer in der Zentrale. Lange Zeit hatten sie schweigend ins Leere gestarrt und sich mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt. Schließlich waren Bob und Peter nach Hause gefahren. Seitdem saß Justus alleine hier, zum Glück unbehelligt von Onkel Titus und Tante Mathilda. Er wollte jetzt mit niemandem sprechen. Immer wieder gingen ihm Momente durch den Kopf, die sie mit Morton erlebt hatten – von ihrer ersten Fahrt im Rolls-Royce bis hin zu der Nacht, in der sie unfreiwillig in einem Fahrstuhl eingeschlossen gewesen waren. Doch ständig drängte sich Bobs Frage dazwischen: Wer war Morton eigentlich? Was wussten sie über sein Leben?
    Justus versuchte sich die wenigen Fakten, die er kannte, in Erinnerung zu rufen: Morton war aus England gekommen. Er hatte einen Halbcousin zweiten oder dritten Grades gehabt, den er nicht gemocht hatte, hatte in seiner Freizeit Polo und Schach gespielt – und das war es. Sonst schien er nur für seinen Beruf gelebt zu haben. War er jemals verheiratet gewesen? Oder hatte er eine Freundin gehabt? Justus konnte es sich kaum vorstellen. Er erschrak, als ihm bewusst wurde, dass er nicht einmal Mortons vollen Namen kannte.
    Polo. Schach jeden Sonntagabend in einem Schachverein in Los Angeles. Das konnte nicht alles sein. Justus stellte sich vor, dass Morton eine riesige Bibliothek mit alten, ledergebundenen Ausgaben englischer Literatur gehabt und jeden Abend Shakespeare gelesen und dazu eine Pfeife geraucht hatte. Das Klischee des typischen Briten. Aber mehr schien von ihrem langjährigen Freund nicht übrig zu bleiben.
    Justus versuchte sich auszumalen, was in der letzten Nacht geschehen war. Mortons Wagen war westlich von Malibu gefunden worden. Wohin wollte er? Und woher war er gekommen? Was war auf der Straße geschehen? Hatten die Bremsen versagt? War er am Steuer eingeschlafen? Hatte er etwas getrunken? Morton war seit zwanzig Jahren Chauffeur für die Firma Gelbert. Er fuhr sehr sicher und gewissenhaft. Der Rolls-Royce hatte in all den Jahren keinen Kratzer abbekommen, jedenfalls nicht durch Mortons Verschulden. Ein erstklassiger Fahrer wie er stürzte nicht einfach mit seinem Wagen einen Abhang hinunter.
    Dem Ersten Detektiv wurde mit einem Mal mulmig zumute. War er von der Fahrbahn gedrängt worden? Waren die Bremsen manipuliert worden? Oder hatte man Morton gefesselt ans Steuer gesetzt und das Auto abstürzen lassen? Horrorvisionen liefen vor seinem inneren Auge ab und Justus war auf einmal sicher, dass viel mehr dahinter steckte, als er sich in den Stunden nach dem ersten Schock hatte vorstellen können.
    Er griff nach dem Telefonbuch von Los Angeles und telefonierte eine Weile herum, bis er schließlich den Vorsitzenden des Schachvereins, den Morton einmal pro Woche besuchte, am anderen Ende hatte.
    »Guten Abend, hier spricht Justus Jonas. Ich bin ein Freund von Morton. Sagen Sie, war Morton gestern Abend im Verein?«
    Der Mann am anderen Ende schien ein wenig irritiert, doch dann antwortete er: »Nein, war er nicht. Ich habe mich schon gewundert, denn er kommt sonst immer. Ich kann mich nicht erinnern, dass er in den letzten Jahren auch nur einmal gefehlt hat. Was ist denn mit ihm? Ist er krank?«
    »Ich … nein, das nicht. Er …« Justus brach ab.
    »Hallo? Bist du noch dran? Hallo?«
    Justus legte auf. Ihm war plötzlich übel. Anderen Leuten die Nachricht von Mortons Tod zu überbringen, ging über seine Kräfte. Morton war also nicht im Schachverein erschienen. Der Unfall hatte jedoch erst in der Nacht stattgefunden. Also musste davor etwas Unvorhergesehenes passiert sein.
    Wieder griff er nach dem Hörer. Diesmal wählte er die Nummer von Inspektor Cotta, dem Ansprechpartner der drei ??? bei der Polizei von Rocky Beach. Sie hatten schon oft mit Cotta zusammengearbeitet und er half ihnen, wann immer er konnte. Zwar versteckte er sich meistens hinter der Fassade des mürrischen Inspektors, dem die drei Detektive auf die Nerven gingen, doch Justus wusste, dass hinter seiner ruppigen Art ein hilfsbereiter Mensch steckte.
    »Ja?«
    »Guten Abend, Inspektor Cotta. Hier ist Justus Jonas. Schön, dass ich Sie noch im Büro erwische.«
    »Du kennst das ja«, murrte der Inspektor. »Die Welt ist schlecht und wird beherrscht von Korruption, Erpressung, Diebstahl, Mord und Totschlag. Für jemanden wie mich eigentlich ein Grund, sein Bett direkt neben dem Schreibtisch aufzuschlagen. Was kann ich für dich tun, Justus? Wen soll ich
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