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Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition)

Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition)

Titel: Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition)
Autoren: Barbara Traber
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Schutzengel in den Dolomiten.«
    »Wie war es denn eigentlich … ich meine …?«
    »Du meinst, wie groß die sexuelle oder erotische Anziehungskraft von
Alex war? Seltsam, ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern, wie es war, mit
ihm zu schlafen, das ist wie ausgelöscht. Keine einzige Liebesszene könnte ich dir
schildern. Höchstens die Küsse auf einem Gipfel sind mir in Erinnerung geblieben,
das gehörte dazu. Wenn man den Aufstieg geschafft hat, ist man ohnehin von einem
Glücksgefühl erfüllt, weil Endorphine ausgeschüttet werden, wie man heute weiß.
Natürlich fand ich Alex – jedenfalls am Anfang – attraktiv als Mann. Ich sah in
ihm vor allem einen Helden, einen kühnen Abenteurer, und das muss mir schwärmerischem
Wesen ungeheuer imponiert haben. Vergiss nicht, wie jung ich war. Meist war ich
nach einer Klettertour erschöpft, litt unter grässlichem Muskelkater, konnte kaum
mehr gehen wegen der Blasen an den Füßen und schlief abends sofort ein. Da blieben
wenige Gelegenheiten, uns zu lieben. Zudem – die Matratze in der Hütte war unbequem,
und ich musste nachts mit der Taschenlampe raus in den Wald … Da ging die ganze
Erotik flöten. Oh nein, Marianne, Alex war alles andere als ein toller Liebhaber!
Und auf der letzten Tour, das gebe ich zu, fühlte ich mich von ihm ganz im Stich
gelassen.«
    »Du hast
dich prompt in Francesco verliebt?«
    »Ich war
drauf und dran, es zu tun, doch ich kannte seine Frau und deshalb – nein, ich hätte
es ihr nie angetan, er war tabu und eher eine Art Seelenverwandter in einer schwierigen,
gefahrvollen Situation.«
    »Weißt du,
worum ich dich beneide?«, sagte Marianne.
    »Nein.«
    »Um deine
Klettererfahrungen! Nie im Leben hätte ich es geschafft, auf all diese Dreitausender
zu kraxeln.«
    »Ich weiß
heute nicht mehr, wie das möglich war. Liebe kann nicht nur Berge versetzen und
blind oder schwindelfrei machen – sie nimmt einem offensichtlich die Angst vor Abgründen.«
    »Das lässt
tief blicken«, meinte Marianne, und sie lachten beide übermütig und fuhren gemächlich
über den Reschen-Pass im Vintschgau.
     
    Nur ein alter, aus dem Wasser ragender
Kirchturm war von den einst schönen Dörfern Reschen und Graun übrig geblieben, eine
Art Mahnmal an eine Katastrophe. Der Großkonzern »Montecatini« erzwang 1939 rücksichtslos
über die Köpfe der Bevölkerung hinweg das Projekt, den Reschen- und den Grauner
See um 22 Meter zu stauen. Vorerst stoppte der Zweite Weltkrieg das Bauvorhaben.
Nur zwei Jahre nach Kriegsende wurden die Arbeiten am Stauprojekt wieder aufgenommen
und sämtliche politischen Interventionen scheiterten. Die Bevölkerung wurde brutal
von Grund, Haus und Hof vertrieben. Im Sommer 1950 wurden die Schleusen geschlossen,
der See gestaut und 677 Hektar Land überflutet.
    Marianne
und Eva schauten, nachdenklich geworden, auf die weite Wasserfläche. Kein Schiff,
kein Boot, keine Wassertiere. Der Ort hatte etwas Beängstigendes.
    Während
sie auf den unbeweglichen Stausee blickte, kam Eva auf einmal das Schlauchboot in
den Sinn, das sie einige Jahre, bevor sie Alex kennen lernte, in den Ferien in Jugoslawien
gekauft hatte. Auf der Weiterfahrt begann sie zu erzählen:
    »Es gab
eine einzige Situation, in der ich mich Alex überlegen gefühlt habe in jenem Sommer«,
sagte sie. »Warum denke ich erst jetzt daran? Du weißt, Marianne, dass ich einen
deutschen Freund hatte und mit ihm Ferien auf einer dalmatinischen Insel verbrachte.
Gegen Ende unseres Urlaubs erfuhr ich durch einen Zufall, dass Erich geschieden
war und einen kleinen Sohn hatte. Beides hatte er mir leider verschwiegen. Kurze
Zeit später trennten wir uns, ich vertraute ihm nicht mehr. Wir hatten zu Beginn
der Ferien an der Adria einem Touristen ein Schlauchboot abgekauft. Ich hatte das
Boot bezahlt, Erich den dazugehörigen Motor. Das Boot blieb nach unserem Urlaub
bei Erich, er hegte und pflegte es und fuhr damit vermutlich jeden Sommer ans Meer.
Wir blieben lose in Kontakt. Das Boot vergaß ich.
    Als Alex
und ich auf der Reise in die Dolomiten in München Halt machten, kam mir das Boot,
das nach wie vor mir gehörte, wieder in den Sinn. Wir beschlossen, es bei meinem
ehemaligen Freund zu holen. Wir könnten es, dachten wir, am Völser Weiher sicher
gut brauchen. Ich telefonierte Erich, und er war verständlicherweise höchst überrascht,
dass ich in München war und nach all den Jahren auf einmal mein Eigentum zurückhaben
wollte.
    Er wohnte
immer noch in einem kleinen
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