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Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition)

Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition)

Titel: Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition)
Autoren: Barbara Traber
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gebe absolut keinen Grund, jetzt zu verzweifeln, sie warte selbstverständlich
weiterhin auf ihn. Hauptsache, er werde bald gesund. Schwierigkeiten und Probleme
jeder Art, auch Krankheiten, seien da, sie gemeinsam zu bewältigen. Sie stehe voll
und ganz zu ihm … was immer auch geschehen sei.
     
    Auf ihren langen, liebevollen Brief
erhielt sie keine Antwort. Auch nach Wochen nicht! Alex konnte doch nicht einfach
verschwunden oder gestorben sein! Sie schrieb erneut, drängender, bat um eine kurze
Nachricht oder ein Telegramm, wie es ihm gehe. Hauptsache, er lebe!
    Nichts.
Alle ihre verzweifelten Versuche, ihn zu erreichen, blieben ohne Echo. Und je öfter
sie seinen letzten Brief las, desto klarer konnte sie zwischen den Zeilen lesen
oder glaubte zu verstehen, dass er diese mysteriöse Krankheit als Grund und billige
Entschuldigung missbrauchte, sich von ihr zu lösen. Im ersten Moment hatte seine
Bitte, sie solle nicht auf ihn warten, rücksichtsvoll geklungen. War es nicht eher
Feigheit, dass er nicht wagte, ihr die Wahrheit zu sagen? War er ihrer überdrüssig,
hatte er sich womöglich in eine andere verliebt oder wollte er wieder frei, unabhängig,
ohne Verpflichtungen sein? Warum dann noch das Geschenk des Verlobungsrings samt
Inschrift? Das konnte sie nicht nachvollziehen. War sie so verblendet gewesen, dass
sie nichts, gar nichts, geahnt hatte von seinen Rückzugsabsichten?
    Wochenlang
litt sie schweigend, wagte niemandem zu erzählen, wie verzweifelt und enttäuscht
sie war. Wer hätte das denn verstehen können? Etwa ihre Eltern, denen sie frohlockend
den Ring gezeigt hatte und die ihren »Verlobten« mochten? Nein, niemand durfte erfahren,
wie schmählich Alex sie auf einmal im Stich ließ. Es würde höchstens heißen: Das
ist ein Spinner, ein Feigling, ein Charakterlump, ein Scharlatan, deiner nicht wert!
Wie hast du dich bloß auf einen solchen Typen einlassen können? Hast du denn nie
bemerkt, dass er es nicht wirklich ernst mit dir meinte, sondern nur mit dir spielte?
Du warst gut genug, eine Wohnung zu mieten und einzurichten und eine Stelle für
ihn in der Schweiz zu suchen – bis er plötzlich die Lust verloren hat, aus Saudi-Arabien
zurückzukommen und gemeinsame Pläne zu verwirklichen.
    Kopfschütteln
und ungläubiges Staunen, und kein Mensch würde begreifen, dass sie einem solch unmöglichen
Kerl nachweinte, ja um ihn trauerte, als wäre er gestorben. Das Leben geht weiter,
würde man sagen, andere Mütter haben auch attraktive Söhne, und es ist noch kaum
jemand an gebrochenem Herzen gestorben, du wirst das überleben. Stell dir vor, du
hättest ihn geheiratet oder du wärst schwanger von ihm! Du bist noch einmal davongekommen.
     
    Das alles wusste sie selbst, sie
mochte solche Kommentare oder Ratschläge nicht hören. Wenn wir jemanden verlieren,
nimmt er ein Stück von uns mit, und das schmerzt tief. Am meisten verletzte sie,
dass Alex nicht ehrlich zu ihr gewesen war. Das sah sie als Vertrauensbruch an,
und das tat weh. Verdammt weh. Auch das schreckliche Schweigen nach seinem letzten
Brief ertrug sie kaum. Als hätte es keinen gemeinsamen Sommer in den Dolomiten gegeben,
als wäre sie plötzlich Luft für ihn, quasi über Nacht. Ausgerechnet er, der kühne
Gipfelstürmer, der keine Gefahren in den Bergen scheute, hatte nicht den Mut, ihr
die Wahrheit zu sagen: Dass er Angst bekommen hatte, sich ernsthaft zu binden –
oder sie nicht liebte, jedenfalls zu wenig liebte. Dass er überhaupt auf die Idee
kam, sie mit einer so billigen Ausrede – einer erfundenen Krankheit – abzuspeisen!
    Sie war
hin und her gerissen zwischen Trauer und Schmerz über das abrupte Ende dieser Liebe
und einer ohnmächtigen Wut, dass sie sich dagegen nicht wehren, nichts dazu sagen
konnte. Ein heftiger Streit hätte gut getan. Auf irgendeine Weise musste sie sich
an Alex rächen! Und so kam sie auf die Idee, etwas zu erfinden, eine Notlüge, die
ihr half, leichter über die Enttäuschung hinwegzukommen. Lächerlich zwar und alles
andere als logisch oder verständlich, aber sie konnte es immerhin versuchen – und
es gelang ihr tatsächlich.
    »Was? Das ist ja furchtbar. Tragisch. Schlimm. Eine Katastrophe. Du
tust mir leid. Was es nicht alles gibt! Wie willst du über diesen Schicksalsschlag
hinwegkommen!« Solche Bemerkungen hörte sie in den folgenden Wochen oft, denn sie
erzählte allen Ernstes, mit betrübtem Gesicht und leicht zitternder Stimme, ihr
Verlobter sei … in der Wüste verschollen! Im
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