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Tödliche Ohnmacht: Kriminalroman (German Edition)

Tödliche Ohnmacht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Tödliche Ohnmacht: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: C. S. Forester
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dafür, dass er etwas getan hatte, was er nicht hätte tun sollen. Seine Großmutter antwortete für ihn.
    »Genau so etwas passiert, wenn ungezogene kleine Jungen den Mülleimer aufmachen«, sagte sie tadelnd und fuhr dann erklärend fort: »In den letzten zwanzig Minuten hat er brav wie ein Goldstück im Garten gespielt. Er muss just indem Moment zum Mülleimer hinübergegangen sein, als ich die Küche verlassen habe. Es waren die zerbrochenen Flaschen, an denen er sich geschnitten hat.«
    »Die zerbrochenen Flaschen?«, wiederholte Marjorie. Als die einzige Person in ihrem Haushalt, die je etwas in den Mülleimer warf, sollte sie doch wissen, was darin war; und sie konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, in den letzten Monaten irgendwann einmal Flaschen, zerbrochen oder unzerbrochen, hineingetan zu haben.
    »Geh hin und sieh’s dir an«, sagte Mrs Clair.
    Im Mülleimer lagen die schwarzen Scherben von zwei Weinflaschen – sie konnte erkennen, dass es zwei gewesen waren, weil die Flaschenhälse und -böden noch deutlich zu erkennen waren. Marjorie konnte nur vermuten, was sie enthalten hatten: den hochprozentigen einfachen Likörwein, den es seit einiger Zeit in den Läden des Orts zu kaufen gab. Ted hatte vor einigen Wochen einmal eine Flasche mitgebracht. In England vergoren und zu hochprozentigerem Wein angereichert, sparte der Käufer pro Flasche ein paar Pence Zoll, und damit war dieser Rotwein, wie Ted betont hatte, jetzt der billigste Alkohol (wenn es das einzige Ziel des Trinkers war, schnell betrunken zu werden), den es gab. Ein Mann konnte sich damit um mindestens einen Shilling billiger betrinken als mit Whisky. Aber was zwei Flaschen davon – und dann auch noch zerbrochene – in ihrem Mülleimer taten, konnte sie nicht einmal erahnen. Ted konnte sie nicht hineingetan haben, denn er war gestern Abend vom Büro aus nicht nach Hause gekommen, sondern zum Billardspielen gegangen. Dies war eines jener Rätsel, die zu lösen ihr Kopf im Augenblick viel zu müde war.
    Und dann kam, ein paar Minuten nach zwölf Uhr, Anne aus der Schule angerannt.
    »Mummy! Mummy! Das stimmt doch nicht, das mit Tante Dot, oder?«
    Sie hätte wissen müssen, dass die Neuigkeit über einen Selbstmord sich innerhalb von zwölf Stunden selbst unter den Kindern der Schule verbreiten würde, dachte Marjorie.
    »Ich weiß nicht, was du gehört hast, Anne«, sagte sie, »aber ich fürchte, es stimmt.«
    Anne verzog das Gesicht, bereit zu einem Tränenausbruch, während aus ihrem Mund gleichzeitig hervorsprudelte, was sie gehört hatte; doch Mrs Clair lenkte mit einer raschen Geste ihre Aufmerksamkeit darauf, dass auch Derrick da war, und bedeutete ihr mit einem Kopfschütteln und einem an die Lippen gelegten Zeigefinger, dass sie unbedingt schweigen müsse, um das Kind nicht zu betrüben. Anne freute sich, auf diese Weise ihre ungemeine Überlegenheit gegenüber dem jüngeren Derrick bestätigt zu bekommen, und schloss sich dem nunmehr aus drei Frauen bestehenden Schweigekomplott an.
    Aber Derrick hatte die Worte, die er nicht hätte hören sollen, natürlich doch gehört.
    »Tante Dottie!«, rief er. »Tante Dottie! Ich mag Tante Dottie. Sie soll bald wiederkommen.«
    Das Schweigen, mit dem seine Bemerkungen aufgenommen wurden, bewies ihm nur, welch tiefen Eindruck sie gemacht hatten. Also begann er noch einmal.
    »Tante Dottie! Tante Dottie!«
    Mittlerweile war auch Ted nach Hause gekommen und setzte sich zum Mittagessen an den Tisch.
    »Halt den Mund!«, fauchte er Derrick plötzlich an, und da begann Derrick natürlich wieder zu heulen, und Anne weinte aus lauter Mitgefühl mit, und so wurde das ganze Essen ein einziges wildes Durcheinander. Und mittendrin in all demTrubel sprang Ted auf einmal vom Tisch auf und eilte wieder hinaus – seine Mittagspause war nur eine Dreiviertelstunde lang, und in dieser Zeit musste er auch noch von der High Street nach Hause und wieder zurücklaufen – und überließ es den Frauen, die Kinder zu beruhigen. Als das geschafft war, wandte Mrs Clair sich an ihre Tochter.
    »Du bist ja ganz erledigt«, sagte sie. »Du gehst jetzt erst einmal hinauf und legst dich hin. Ich werde Anne zur Schule schicken, und dann gehe ich mit Derrick eine Weile in den Park.«
    Marjorie legte sich höchstens einmal im Monat nachmittags hin, doch heute spürte sie, kaum dass ihre Aufmerksamkeit auf ihre Müdigkeit gelenkt war, wie sehr sie sich nach einer Ruhepause sehnte. Dennoch zögerte sie einen
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