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Tödliche Feindschaft

Tödliche Feindschaft

Titel: Tödliche Feindschaft
Autoren: Berndt Guben
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eine wertvolle Geisel. Man würde ihm Michel wiedergeben müssen, wenn man den Grafen zurückhaben wollte. Für Ojo war das eine klare, eindeutige Sache. So hatten sie, er und der Señor Doktor, es immer gehalten. Klare Tatbestände, klare Fronten, Austausch der Gefangenen, und alles war in Ordnung. Zudem gönnte er Eberstein den Schreck, den dieser gekriegt haben mochte, als er sich plötzlich wie eine Puppe gepackt und emporgewirbelt fühlte.
    Ojo klopfte Jehu beruhigend auf die Schulter, entbot ihm spanisch eine »Gute Nacht«, warf sich auf das andere Bett und war einen Augenblick später eingeschlafen.
    Jehu stand hilflos im Zimmer. Er war der Situation nicht gewachsen. Sollte er Eberstein von seinen Fesseln befreien? Aber was würde der Graf sagen, wenn er sich in diesem Zimmer wiederfand?
    Man müßte ihn hinausschaffen, dachte Jehu, ihn irgendwo in den Wald legen, ihm die Fesseln abnehmen und so tun, als sei nichts geschehen. Aber wie sollte er Eberstein hinausbekommen in den Wald?
    Wie Ojo den Mann so einfach hochgenommen hatte, war ihm der Atem gestockt. Der bärtige Riese mußte über Kräfte verfügen, die denen eines Goliath gleichkamen.
    Jehu war verzweifelt. Aber im stillen hoffte er, daß Michel, von dem er wußte, daß er nunmehr frei war, bald erscheinen und die Lage wieder bereinigen würde.
    So trat er denn aus dem Zimmer und schloß hinter sich behutsam die Tür.
    Bevor er in seinem eigenen Bett einschlief, schickte er noch ein Stoßgebet zum Himmel, daß den beiden Freunden nichts passieren möge.

    56

    An diesem Morgen, sehr früh noch, gab Oberst Graf von Köcknitz seinem Burschen Order, zwei Gedecke zum Frühstück aufzulegen.
    »Wir werden einen tüchtigen, starken Kaffee gut vertragen können«, meinte der Offizier. »Es tut mir leid, daß ich Euch um den Schlaf gebracht habe. Aber es tat not, sich alles einmal von der Seele zu reden. Jahrelang habe ich mir gewünscht, dies einem einflußreichen Menschen mit Verständnis in meiner Heimat vorzutragen«, sagte Michel Baum.
    »Eure Abenteuer waren spannend. Hm — und was diesen Eberstein anbelangt, so finde ich, daß Seine Hoheit ihn zum Teufel jagen müßte. Er ist es nicht wert, den grünen Rock zu tragen.« »Damit, daß man ihn zum Teufel jagt, ist nicht viel getan«, entgegnete Michel. »Man sollte vielmehr von ihm verlangen, daß er an seinen Opfern wieder gutmacht, was er verbrochen hat. Es ist schändlich, wie sowohl er als auch sein Vater mit den Menschen umgesprungen sind.« »Ihr spielt auf den Juwelier Hirschfelder an, nicht wahr?«
    »Ja. Hier haben wir einen konkreten Beweis für die Machenschaften der Ebersteins. Die Menschen, denen er sonst noch Schaden zugefügt hat, kenne ich leider nicht. Nun, man sollte am Fall Hirschfelder ein Exempel statuieren. Die armen Menschen haben es verdient, daß man sich ihrer annimmt.«
    »Seid Ihr ein Judenfreund?« Köcknitz zog die Brauen ein wenig zusammen.
Michel lächelte.
»Eigentlich habe ich diese Frage erwartet.«
»So beantwortet sie doch.«
»Ihr wollt sicherlich ein Ja oder ein Nein hören, nicht wahr? Aber mit ja oder nein ist diese Frage
nicht beantwortet. Geradeso gut könntet Ihr fragen, ob ich ein Freund der Teufelsanbeter, der
Mohammedaner, der Buddhisten oder der Heiden sei.«
Köcknitz sah Michel verständnislos an.
»Ich bin weder«, fuhr Michel fort, »ein Freund der Angehörigen irgendeiner Religion oder
Rasse, noch ihr Feind. Alle Menschen, ob Juden oder Christen, ob Schwarze oder Gelbe, ob
Grafen oder Bettler, ob Deutsche oder Franzosen sind meine Freunde, sofern sie anständige
Menschen sind.«
Der Oberst hieb mit der Faust auf den Tisch.
»So, die Franzosen also auch?«
    »Die liebe ich ganz besonders. Sie sind galante, höfliche und ritterliche Menschen. Sie lieben die Kunst und die Schönheit.«
    »Hm — hm — hm — da komme ich nicht mit. Sie sind unsere Erzfeinde.«
    »Das glaubt Ihr selbst nicht. Fragt einen Kaufmann aus Paris, ob er einen aus Potsdam haßt.« »Er wird ja sagen.«
    »Er ist vielleicht genauso voreingenommen wie Ihr. Aber bringt sie an einem neutralen Ort zusammen, zwingt sie, miteinander zu leben, und Ihr werdet sehen, daß sie in kürzester Frist vergessen haben, daß der eine ein Franzose und der andere ein Preuße ist. Die Grenzen sind schuld. Der Anspruch der Herrscher ist schuld, die überhebliche Vorstellung eines solchen Herrschers, souveränzu sein. Anstatt ihren Einfluß aufzubieten, Schulen zu errichten, ihre Untertanen
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