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Tödliche Feindschaft

Tödliche Feindschaft

Titel: Tödliche Feindschaft
Autoren: Berndt Guben
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unverrichteterdinge wieder. Michel wurde die Zeit zu lang.
    Er bat vorläufig um Urlaub und hinterließ Köcknitz seine Adresse.

    57

    Rudolf von Eberstein, durch die gefesselten Hände und Füße zu unbequemer Lage gezwungen, erwachte trotz des reichlich genossenen Alkohols zu früher Stunde. Er versuchte sich zu besinnen, wo er war. Aber das Dunkel, das ihn umgab, war undurchdringlich. An die Vorkommnisse der Nacht erinnerte er sich nicht mehr.
    Er wollte sich mit den Händen zum Kopf greifen. Da überfiel ihn siedendheiß die Erkenntnis, daß er gefesselt war. Und fast im selben Moment vernahm er Schnarchtöne. Tiefe, sägende Schnarchtöne. Er wollte schreien; da spürte er den Lappen zwischen seinen Zähnen. Sein Gehirn arbeitete fieberhaft. Was war geschehen? Wo war er? Wie kam er in diese Situation?
    Nach und nach fielen ihm die Einzelheiten wieder ein. Aber er kam in seiner Erinnerung nur bis vor die Wache des Arrestlokals. Danach war alles dunkel.

    So lag Eberstein zwei Stunden, der Schweiß perlte in großen Tropfen auf seiner Stirn. Als sich die Stube mit dem ersten Morgenlicht füllte, wandte er mühsam den Kopf, dorthin, woher das Schnarchen kam. Da erblickte er einen großen bärtigen Mann auf dem anderen Bett. Wie die Blätter eines Jahreskalenders sprang sein Gehirn Jahr um Jahr zurück. Er kannte diesen Mann. Ja, der gehörte zu jenen Männern, die er damals an den algerischen Korsaren verkauft hatte. Eberstein versuchte sich aufzurichten. Es gelang ihm. Er war zwar an Händen und Füßen gefesselt, jedoch nirgends festgebunden. Seine Beine baumelten vom Bett und reichten bis zur Erde. Er stand auf und hüpfte hinüber, wo Ojo lag. Seine Blicke gingen hastig suchend durch das Zimmer. Aber nirgends war ein Messer zu sehen. Die auf den Rücken gebundenen Armgelenke schmerzten. Eberstein wurde wütend. Er drehte sich um und boxte mit gefesselten Händen Ojo in die Magengrube. Der brummte unwillig, blinzelte mit den Augen, sah den Mann verstört an, gab ihm einen mächtigen Stoß, so daß Eberstein nach vorn überkippte und der Länge nach auf den Boden schlug, drehte sich auf die andere Seite und schlief weiter. —
    Eberstein beschloß, bis zur Tür zu hüpfen und diese zu öffnen, um auf diese Weise in die Freiheit zu gelangen. Obwohl er bald wieder auf den Beinen stand, zögerte er doch, sein Vorhaben auszuführen; denn er sagte sich logisch, daß dieses Haus von den Leuten des Seeräubers dort auf dem Bett bewohnt sein müsse. Es war anzunehmen, daß eine Wache vor seiner Tür stand.
    Dennoch hüpfte er los. Aber noch ehe er sie erreichte, schreckte Ojo hoch. Mit einem Satz war er bei dem Flüchtenden, riß ihn zurück und warf ihn wie eine Puppe wieder aufs Bett.
    Mit ein paar starken Riemen band er Eberstein an der Bettstatt fest. Ohne ein Wort zu sagen, legte er sich hin und schlief sofort weiter.
    Mittlerweile war es halb zehn Uhr geworden. Eberstein, dem das Atmen langsam beschwerlich wurde, lief schon blau an. Da hörte er draußen auf dem Flur Schritte. Sie näherten sich dieser Stube. Dann verhielten sie einen kurzen Moment vor der Tür, und dann erschien — Michel Baum. Er stutzte, als er sein Bett besetzt sah. Dann aber weiteten sich seine Augen. »Wie — wie — kommt Ihr hierher, Eberstein?«
    Auch Eberstein war fassungslos. Schlotternde Angst übermannte ihn. Michel nahm ihm den
Knebel aus dem Mund.
Im selben Augenblick erwachte Ojo.
    »Guten Morgen, Señor Doktor, endlich seid Ihr da. Wir haben Euch die halbe Nacht gesucht.«
    »Was ist hier vorgegangen?« fragte Michel. »Wieso? — Ach so«, lachte Ojo, »Ihr meint den da.«
    Ausführlich berichtete er, was er mit Jehu unternommen hatte, um ihn zu suchen, und wie ihm
Eberstein dabei in die Hände geraten war.
War Michel zuerst erschrocken, so lachte er jetzt.
»Ein seltsames Wiedersehen, Eberstein, wie?«
»Ihr werdet hängen«, zischte dieser.
»Langsam, langsam! — Ihr kommt zuerst dran.«
    »Hund, verdammter, man wird mich finden. Ihr seid hier nicht bei den Hottentotten. Ihr habt einen ganzen Staat gegen Euch.«
    »Langsam, langsam«, wiederholte Michel. »Den hatte ich gegen mich. Heute nacht hat sich das geändert. Ich binde Euch jetzt los. Beeilt Euch, daß Ihr zum Dienst kommt. Oberst Köcknitz läßt schon nach Euch suchen.«
    »Um so besser«, meinte Eberstein hämisch, »mit den ersten Leuten, die ich treffe, werde ich wiederkommen und diese Bude hier ausräuchern. Es wird mein größtes Vergnügen sein, Euch, den
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