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Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)

Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)

Titel: Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)
Autoren: Jessica Spotswood
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Farbe etwas abblättert, einer der Fensterläden im ersten Stock schief hängt und dem steilen Schrägdach seit dem letzten Sturm ein paar Ziegeln fehlen – nun, John ist beschäftigt. Der Junge von den Carruthers hat im Sommer gekündigt. Wen stört es schon, wenn das Haus etwas marode aussieht? Uns kommt eh niemand besuchen.
    Als ich um die Ecke in den richtigen Garten abbiege, stoße ich mit jemandem zusammen, der gerade den Weg entlanggeht.
    Überrascht taumele ich einen Schritt zurück. Es kommt selten vor, dass ich hier jemand anderem als John, unserem Handwerker, begegne. Und das gefällt mir. Tess fühlt sich in der Küche am wohlsten, Maura zieht die Gesellschaft von Büchern vor, und Vater verlässt außer zum Abendessen oder um schlafen zu gehen selten das Arbeitszimmer. Der Garten gehört mir.
    Ich verspüre eine gewisse Verärgerung diesem Eindringling gegenüber.
    Als er die Arme nach mir ausstreckt, um mir Halt zu geben, lässt er ein Buch fallen, und daran erkenne ich ihn: Finn Belastra. Natürlich hatte er seine Nase in einem Buch, obwohl ich nicht weiß, wie er bei der Dunkelheit lesen kann. Er muss Katzenaugen haben.
    »Entschuldigen Sie bitte, Miss Cahill.« Finn schiebt sich mit dem Zeigefinger die Brille hoch. Er hat Sommersprossen wie Zimt über das ganze Gesicht verteilt. Und sein Gesicht – er hat sich ganz schön gemacht, seit ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Früher war er eine Bohnenstange. Jetzt ist er – nun, jetzt ist er es nicht mehr.
    »Was machen Sie hier?«, frage ich schroff. Und in dem Aufzug? Ich halte wirklich nicht viel von förmlicher Kleidung, aber er trägt eine zerlumpte braune Cordhose, die von Hosenträgern gehalten wird, und ein Arbeitshemd, das er bis zu den Ellbogen aufgerollt hat.
    Finn nimmt seinen Schlapphut ab. Seine kupferroten Haare zeigen in alle möglichen Richtungen. »Ich bin Ihr neuer Gärtner.«
    Das muss ein Witz sein. Nur hat er tatsächlich einen Eimer voller Unkraut in der Hand.
    »Oh«, sage ich schließlich. Ich weiß nicht, was sonst angemessen wäre. Herzlich willkommen wäre gelogen. Wir brauchen nicht noch mehr Fremde bei uns. Nachdem Mutter gestorben war, hatte ich Vater davon überzeugt, dass wir mit Mrs O’Hare, John und Lily vollkommen auskommen würden. Vater stimmte zu, die Entscheidungen rund ums Haus mir zu überlassen, aber er bestand darauf, eine Reihe von Gärtnern anzustellen. Sein neues Vorhaben ist, einen Pavillon beim Teich zu bauen, von dem aus man den Friedhof überblicken kann.
    »Können Sie gärtnern?«, frage ich, ohne den Zweifel in meiner Stimme zu verbergen. Ich kann mir wirklich niemanden vorstellen, der dafür weniger geeignet wäre. Die anderen Gärtner waren kräftige Jungen von den umliegenden Bauernhöfen gewesen, keine blassen, gelehrten Buchhändlersöhne.
    »Ich lerne es gerade«, sagt Finn und zeigt mir das Buch, das ihm bei unserem Zusammenstoß hinuntergefallen ist. Es ist eine Pflanzenenzyklopädie.
    Das weckt nicht gerade mein Vertrauen. Ich habe die Erde umgegraben, Unkraut gejätet, Blumenzwiebeln gepflanzt. Es macht mir Spaß. Und ich brauche dafür kein Buch. Ich habe Mutter und John jahrelang zugesehen. Ich hoffe nur, Finn wird nicht umherlaufen und über neue Bewässerungsmethoden und optimale Wachstumsbedingungen dozieren. Früher in der Sonntagsschule war er ein unerträglicher Schlaumeier.
    Finn schwenkt den Eimer. Seine Unterarme sind schlank und drahtig. »Ihr Vater hat gehört, dass ich Arbeit suche, und war so nett, mir eine Anstellung anzubieten. Wir hatten in letzter Zeit etwas Schwierigkeiten mit dem Laden.«
    Klar, dass Vater da weich wird – zumindest, wenn es um seine Bücher geht. Ich habe noch nie gehört, dass er ein böses Wort gegen die Hexenjagd der Bruderschaft gesagt hat, aber sobald es um ihre Zensur von Büchern geht, kann er richtig wütend werden.
    Ich vergrabe die Hände in den Taschen meines Mantels. »Müssen Sie – Sie müssen den Laden doch nicht etwa schließen, oder?«
    »Noch nicht.« Finn strafft die Schultern – die sehr viel kräftiger geworden sind, seit ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Jedenfalls seit ich ihn das letzte Mal angesehen habe. Wie lange ist es her, dass ich wirklich richtig hingesehen habe? Er ist unglaublich attraktiv geworden; das kann nicht über Nacht passiert sein.
    »Gut! Das ist gut!«, sage ich. Finn sieht überrascht aus, dass mich das überhaupt interessiert, aber Mutter liebte den Buchladen sehr. Sie war eine große Leserin, so
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