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Toechter Der Suende

Toechter Der Suende

Titel: Toechter Der Suende
Autoren: Iny Lorentz
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ab, und etliche der süßen Früchte landeten nicht im Korb, sondern in den Mündern der beiden.
    Seit seiner Kindheit war Reckendorf nicht mehr auf einen Baum geklettert, um Früchte zu naschen. Jetzt genoss er es in vollen Zügen, die schönsten und saftigsten Pflaumen für Hildegard zu pflücken und sie ihr zu reichen. »Diese Pflaumen sind ausgezeichnet! Solche gibt es in meinen Gärten nicht«, erklärte er ihr.
    Hildegard blickte zur Burg hinüber und wies auf den Söller, auf dem ihre Ziehmutter in der warmen Sonne saß. »Diese Bäume hat Mama von sehr weit kommen lassen und hier gepflanzt. Wir haben auch anderes Obst, doch das ist noch nicht reif. Ihr müsstet einmal die Pfirsiche kosten, die wir im Weinberg ziehen! Auch diese Bäume hat Mama auf ihren Reisen entdeckt.«
    »Eure Mutter war wohl oft auf Reisen?«, fragte Junker Bruno interessiert.
    »Gelegentlich erzählt sie davon. Einiges habe ich von der Ziegenbäuerin gehört oder von Anni, der jetzigen Frau von Ziegenhain, und von der Mohrin Alika, die in Magoldsheim bei meiner Schwester Trudi lebt. Sie alle sagen, sie hätten meiner Mutter sehr viel zu verdanken, teilweise sogar ihr Leben.«
    Hildegard berichtete ein paar Begebenheiten, die man ihr erzählt hatte. Von ihr erfuhr Reckendorf nun, dass Marie Adler nicht nur in Böhmen und Venedig gewesen war, sondern sogar in den fernen Ländern der Russen und in Konstantinopel. Dabei musste sie Gefahren überstanden haben, gegen die ihm die Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela unbedeutend erschien.
    »Ihr liebt Eure Ziehmutter sehr?«, fragte er nach einer Weile.
    Hildegard nickte heftig. »Ja, das tu ich! Sie hat mir so viel Liebe geschenkt und weder mir noch meiner Ziehschwester Lisa die eigenen Kinder vorgezogen. Wenn Trudi versucht hat, ihren Rang als Erstgeborene durchzusetzen, ist sie von der Mutter oft genug zurechtgewiesen oder sogar bestraft worden. Nicht, dass Trudi böse zu mir und Lisa gewesen wäre! Das war sie ganz gewiss nicht. Aber unsere Mutter hat keinerlei Ungerechtigkeit dulden wollen.«
    »Ich kenne meine Mutter kaum«, antwortete Reckendorf bedrückt. »Ich war sechs Jahre alt, als mein Vater starb und sie ihrem zweiten Mann auf dessen Burg gefolgt ist. Aber auch vorher bin ich von Ammen und Kindermägden aufgezogen worden. Später habe ich meine Mutter nur noch bei Festlichkeiten in Würzburg oder Aschaffenburg getroffen, konnte jedoch nie mehr als einen kurzen Gruß mit ihr wechseln.«
    »Wie schrecklich!«, flüsterte Hildegard mitleidig. »Das muss schlimm für Euch gewesen sein.«
    »Ich kannte es nicht anders. Erst später habe ich erfahren, dass es Mütter gibt, die ihre Söhne lieben. Vielleicht hat sie das sogar getan, wer weiß! Aber ich war zu verletzt, weil sie mich verlassen hat und kurz darauf meine Halbschwester geboren wurde.«
    »Das Mädchen, das der Fürstbischof mit meinem Bruder verheiraten wollte?«
    Junker Bruno nickte. »Ja, Margarete.«
    »Liebt Ihr Eure Schwester?«, fragte Hildegard weiter.
    Ein bitteres Lachen erklang. »Ich habe sie vor dem Tod unserer Mutter kein einziges Mal gesehen! Danach gab es nur zwei Begegnungen, die erste an jenem Tag, an dem ich ihr mitgeteilt habe, dass mir die Vormundschaft übertragen worden sei, und die zweite, als sie mich um Erlaubnis gebeten hat, zusammen mit ihrer Tante Edelgunde von Frammenberg eine Pilgerreise nach Rom unternehmen zu dürfen. Ich hatte die Vormundschaft über sie nur deswegen gefordert, weil sie nach kirchlichem Recht als Tochter meines Vaters galt und ich sie so verheiraten wollte, wie es am besten in meine Pläne passte.«
    »Eine Heirat mit meinem Bruder gehörte wohl nicht dazu?« Hildegard sah, wie der Junker blass wurde. »Vorsicht, fallt mir nicht vom Baum!«
    »Keine Sorge, ich halte mich fest!« Junker Bruno brauchte dennoch beide Hände, so sehr hatte ihn ihre Bemerkung getroffen.
    Nun fragte er sich, welcher Teufel ihn damals geritten hatte, Falko Adler herauszufordern. Auch wenn dessen Adel noch jung war, spielte der Kibitzsteiner bereits eine gewichtige Rolle in dieser Gegend und war, wie er mittlerweile erfahren hatte, kaum weniger wohlhabend, als er selbst es vor dem Urteil des Fürstbischofs gewesen war. Mittlerweile konnte er nur noch neidisch zum Reichtum der Kibitzsteiner aufschauen.
    »Wir sollten weiterpflücken! Die Mägde sollen heute noch anfangen, Mus zu machen. Doch mit den paar Pflaumen, die wir bisher in meinen Korb gelegt haben, lohnt sich das nicht«, mahnte
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