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Todeszeiten (German Edition)

Todeszeiten (German Edition)

Titel: Todeszeiten (German Edition)
Autoren: David Baldacci
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Blumen gesäumte, sich schlängelnde Stein- und Kiespfade, die in Sicht kamen und wieder aus dem Blick gerieten. Das Haus war groß und mindestens zwei Jahrhunderte alt, reichlich ausgestattet mit dem Schmuck jener Architekturepoche: Giebel, dorische Säulen und Balustraden, von Flechten bedeckte Quadersteine an den Ecken und Reihen von Rundbogenfenstern an der Vorderseite. Becker wurde von einer mürrischen Frau in der schwarzen Dienstkleidung eines Hausmädchens in die Bibliothek geführt. Die Regale waren mit alten Büchern gefüllt, die aussahen, als hätte man sie fleißig gelesen; und in dem riesigen Raum herrschte ein angenehmes Aroma aus miteinander vermischten Düften – Leder, Tabak und Kerzenwachs.
    Der Mann, der sich Augenblicke später zu ihm gesellte, war groß und ausgemergelt, und auf dem Kopf war ihm ein Kranz weißer Haare geblieben. Sein Schnurrbart hing über seinen kleinen Mund herab, und seine Zähne sahen falsch aus. Er trug eine Garnitur uralter Tweedkleidung, mit einem übermäßig gestärkten Kragenhemd und einem tristen Schlips, der nach unten hin unter einer Weste verschwand, die aussah, als würde sie sich kratzig anfühlen. Quer über der Vorderseite der Weste hing eine wertvolle Uhr an einer Goldkette. Er ließ sich hinter einem riesigen Mahagonischreibtisch nieder, auf dem alles peinlich genau geordnet war, und wies Becker mit einer Geste an, ihm gegenüber Platz zu nehmen. Becker hatte schon vielen Klienten bei Besprechungen wie dieser gegenübergesessen. Sie waren alle unterschiedlich, was ihre Raffinesse und ihren Beweggrund anbelangten; es gab jedoch etwas an dem alten Haus, an dem Raum und an dem Mann, das Becker störte. Doch Einzelheiten über seinen Klienten gingen ihn nichts an. Er war hier, um zuzuhören und um den Auftrag anzunehmen – oder auch nicht. Becker schlug die Beine übereinander und wartete gespannt. Er sprach niemals, bevor der potenzielle Klient es tat. An diesem Punkt in seinem Job wollte er sich herausgefordert fühlen. Anfangs hatte er jeden Auftrag angenommen. Jetzt war er wählerischer. Die meisten Aufgaben erforderten wochenlange Planung, und er wollte diese Zeit nur mit etwas zubringen, bei dem er das Gefühl hatte, dass es seinen Talenten würdig war. Das Leben war zu kurz – beinahe so kurz wie das der Menschen, für deren Ermordung er bezahlt wurde.
    Der alte Mann räusperte sich und betrachtete mit abschätzender Miene den nichts sagenden Anzug, die durchschnittlichen Gesichtszüge, die schwarzen Handschuhe und den niedergeschlagenen Blick von Becker; und als er die Musterung beendet hatte, war er augenscheinlich erfreut oder zumindest zufriedengestellt.
    »Sie sind auf Empfehlung hier.«
    Becker hob seinen Blick um einen Millimeter. »Das passiert mir oft. Darf ich fragen, von wem die Referenz stammte?«
    »Schultz.«
    »Ich verstehe. Ja, das kann ich nachvollziehen. War eine komplizierte Angelegenheit.«
    »In der Tat.«
    »Und Ihr Ersuchen?«
    »Noch komplizierter«, antwortete der Mann. Die Haare seines Schnurrbarts kräuselten sich nach außen, während er sprach. Aus irgendeinem Grund irritierte das Becker, als er es wahrnahm. Danach hielt er seinen Blick nach unten gerichtet. Es war von entscheidender Bedeutung, im gegenwärtigen Augenblick sachlich zu sein.
    »Dann freue ich mich darauf, beeindruckt zu werden«, erwiderte Becker mit ein wenig mehr Arroganz, als er beabsichtigt hatte. Plötzlich gelangte er zu dem Schluss, dass es etwas an diesem Mann gab, das ihn störte. Etwas anderes als der sich kräuselnde Schnurrbart.
    Der alte Mann beugte sich nach vorn und ließ die abgewetzten Ellbogen-Patches seiner Tweedjacke auf der polierten Schreibtischplatte ruhen. Er benötigte ein paar Augenblicke, um aus seiner Westentasche eine kleine hakenförmige Pfeife herauszuziehen und sie anzuzünden; dann erweckte er den Tabak zum Leben, indem er einige wenige Male in fachmännischer Weise den Atem einsog. Mit seinen langen, spinnenhaften, blau geäderten Fingern bog er das Streichholz in zwei Hälften und legte es in einen kupfernen Aschenbecher, der sich neben dem schwarzen Telefon mit Wählscheibe befand.
    »Sie müssen sich um eine Frau kümmern.«
    »Ihr Name und ihre Adresse?«
    »Das wird auf postalischem Weg geliefert werden.«
    Becker blickte bei dieser Antwort auf. »Auf postalischem Weg? Sie meinen eine Sendung mit der Post? Das ist ungewöhnlich.«
    »Sie nennen es so und ich anders«, sagte der Mann freundlich. »Aber es bedeutet das
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