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Todesspiel

Titel: Todesspiel
Autoren: John Sandford
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namens Robbie’s, der wir fast jeden zweiten Tag einen Besuch abgestattet hatten. Robbie’s war im Stil eines Eisenbahn-Speisewagens eingerichtet, karg und schmucklos, aber es gab dort echt gute Eisbecher. LuEllen stellte die Frage, als wir auf den Parkplatz fuhren und im Radio gerade die letzten Takte des Stones-Songs »I Can’t Get No Satisfaction« ertönten.
    Ich nickte. »Ja. Vielleicht liegt er auch nur bewusstlos auf dem Boden in seinem Haus …« Ich war traurig bei diesem Gedanken. Ich hatte Bobby nie persönlich kennen gelernt, aber er war ein Freund, und mir war klar, dass ich einen herben Verlust erleiden würde, wenn meine Befürchtungen zutrafen. »Oder … Zum Teufel, es gibt vielerlei Möglichkeiten, aber ich fürchte, er ist tot oder liegt im Sterben.«
    »Was macht ihr Jungs jetzt? Bobby war immer für euch da.«
    »Vorsichtiger sein. Weniger Jobs annehmen. Vielleicht sogar ganz aussteigen.«
    »Ich habe auch schon überlegt, ganz auszusteigen«, sagte sie unverhofft. »Mit den Diebstählen aufzuhören.«
    Ich sah sie verblüfft an und schüttelte den Kopf. »So was hast du bisher nie gesagt.«
    Sie hob die Schultern. »Ich werde alt.«
    »Gehst scharf auf Mitte dreißig zu, würde ich sagen …«
    Sie klopfte mir auf den Oberschenkel und sagte: »Lass uns aussteigen. Raus in den verdammten Regen.«
     
    Der Betreiber der Eisdiele offenbarte durch ein Namensschild, dass er »Jim« hieß, und durch einen oft abwesenden Blick, dass er sich nach etwas sehnte, vielleicht nach Bergen in der Nähe. Ein Papierhütchen klebte auf seinem kahlen Kopf, und aus einem seiner Mundwinkel ragte stets ein Zahnstocher. Er nickte uns zu, fragte: »Wie üblich?«, und wir bestätigten
das und sahen ihm zu, wie er die Eisbecher füllte. Sehr viel heiße Schokolade. Der Becher kostete fünf Dollar, und ich hatte ihm bei jedem Besuch fünf Bucks Trinkgeld gegeben; Jim revanchierte sich durch besondere Großzügigkeit, was die heiße Schokolade anging.
    Als wir in der Nische saßen und uns über die Eisbecher hermachten, fragte LuEllen: »Hast du ernsthaft überlegt, ganz auszusteigen?«
    »Ich brauche das Geld nicht mehr.«
    Sie schaute hinaus in den Regen, der auf die Straße niederprasselte. In der Stadt fand ein Kriegsveteranenkongress statt, und ein alter Mann mit einem Plastikstrohhut samt Kongressplakette ging draußen mit unsicheren Schritten vorbei. Er hatte ein Loch in den Boden eines Müllsacks gerissen und ihn als Regenschutz über den Kopf gezogen.
    Wir schauten ihm nach, und LuEllen sagte: »Saufbold.«
    »Wenn man seine alten Kameraden trifft, hat man allen Grund, kräftig einen zur Brust zu nehmen«, sagte ich. »Die Veteranen aus dem Zweiten Weltkrieg sterben inzwischen dahin wie die Fliegen.«
    »Ob Bobby auch …« LuEllen ließ den Löffel um den Rand des Tulpenglases kreisen; ihren Satz vollendete sie nicht.
     
    Bobby hatte irgendeine degenerative Krankheit, aber ich wusste nicht genau, welcher Art sie war. Er hatte den Hackerring ins Leben gerufen, um für den Fall seines Todes oder einer dramatischen Verschlechterung seines Gesundheitszustands vorzusorgen. Wenn sein Zustand sich langsam verschlechterte, würde der Ring es erst erfahren, wenn sein Tod kurz bevorstand. Als letzte Maßnahme hätte er jedem von uns Informationsdateien überspielt, von denen er glaubte, sie seien für den Empfänger wünschenswert – eine Art Vermächtnis -, alles andere hätte er vernichtet.

    Ich hatte gehofft, er würde uns auf diese Weise verlassen, ruhig und friedlich. Aber es sah nicht danach aus.
    Natürlich war es auch möglich, dass die Feds in einem lautlosen schwarzen Hubschrauber bei ihm gelandet und durch den Kamin in sein Haus gerutscht waren oder, realistischer, seine Haustür eingetreten und ihn überwältigt hatten, ehe er seinen Vernichtungskode eingeben konnte, und jetzt lauerten sie uns auf, bis an die Zähne bewaffnet mit all dem Scheißzeug, für das sie Milliarden ausgeben, und sie hatten vermutlich diverse Hightech-Fallen aufgebaut – Türklopfer oder Klodeckel, die bei Benutzung eine Sprengladung zünden. Na ja …
    Ich glaubte nicht an so was. Aber ich war überzeugt, dass Bobby nicht mehr unter den Lebenden weilte.
     
    Im Motel machte ich mich wieder an die Arbeit der Auswertung unserer Casinozahlen. Ich meinte, diese Arbeit beschleunigt zu Ende bringen zu müssen, für den Fall, dass das Bobby-Problem eine Wendung zum Schlechten nehmen sollte. Schwierigkeiten nagten an der Angelleine …
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