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Todesspiel

Titel: Todesspiel
Autoren: John Sandford
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das dünne braune Haar klebte wie die Fransen eines Mopps auf dem Schädel. Er wandte sich von der Leiche ab und sah sich den Laptop an.
    Der Name des toten schwarzen Mannes war Bobby, und Bobbys Laptop war auf einer Stahlplatte befestigt, die wie ein altmodisches Schreibpult schwenkbar vor dem Sitz des Rollstuhls angebracht war. Der Laptop war kein Leichtgewicht – es handelte sich um ein Desktop-Ersatzmodell von IBM mit maximiertem Arbeitsspeicher, einer gigantischen Festplatte, einem internen CD/DVD-Brenner, drei USB-Eingängen und mehreren Slots zum Einlesen von Compact Flash Cards.

    Ein leistungsfähiger Laptop, aber nicht gerade das, was Carp erwartet hatte. Er hatte sich etwas vorgestellt wie … nun ja, wie einen altmodischen Computerraum bei der CIA mit weißen Wänden und weißem Plastikfußboden, auf dem Männer in weißen Kitteln, mit Brillen auf den Nasen und Klemmbrettern in den Händen, herumstolzieren – und mit einem Bobby, der vor einer Kontrollkonsole thront, wie man sie aus »Star Wars« kennt. Wie konnte es sein, dass der Hacker-Superstar der Vereinigten Staaten von Amerika von einem schlichten Laptop aus operierte? In einem Rollstuhl sitzend, mit einer Giorgio-Armani-Brille auf der Nase und in ein blaues, frisch gebügeltes Oxford-Hemd gekleidet?
    Der Laptop war nicht die einzige Überraschung – die ganze Umgebung hatte Carp erstaunt: ein zum Teil noch von unbefestigten Straßen durchzogenes, heruntergekommenes Viertel von Jackson, in dem es nach Moos und Baumrinde und Brackwasser roch. Als er in der Dämmerung über die Steinplatten zur Veranda des Hauses gegangen war, hatte er in einiger Entfernung das Quaken von Fröschen gehört.
     
    Zunächst hatte es so ausgesehen, als ob seine Suche nach Bobby ins Leere laufen würde. Dann hatte er den Mann ausfindig gemacht, der den schwerbehinderten Bobby medizinisch betreute, und es hatte sich herausgestellt, dass dieser Mann nicht gerade das hellste Licht in der Kirche war: Carp hatte sich mit einer Ausrede, die selbst in seinen eigenen Ohren absolut unglaubwürdig klang, Zutritt zu seinem Haus verschafft – einer so unglaubwürdigen Ausrede, dass Carp es nicht fassen konnte, wie man diesem Mann die Verantwortung für Bobbys Anonymität hatte anvertrauen können. Aber es war so gewesen.
     
    Alle Unklarheiten waren beseitigt, als Bobby die Haustür aufgezogen und Carp schnell die Hand dagegen gestemmt
und »Bobby?« gefragt hatte. Bobby hatte die Augen aufgerissen und hastig den Rollstuhl zurückgeschoben. Und Carp angeschrien:
    »Verschwinden Sie! Wer sind Sie? Wer … Hauen Sie ab!«
    Die Sache war sofort eskaliert. Carp hatte sich durch die Tür gedrängt, und Bobby hatte den Rollstuhl herumgewirbelt und zu einem Bücherregal gesteuert, hatte eine Keramikschüssel zur Seite gefegt, und Carp hatte die Pistole in seiner Hand gesehen und nach dem Sauerstoffzylinder gegriffen …
    Hatte echt nicht beabsichtigt, es zu tun. Noch nicht jedenfalls. Hätte gerne noch eine Weile mit dem Mann geredet.
    Was er auch vorgehabt hatte – Bobby war jetzt tot. Es gab kein Zurück mehr. Carp trat zum Rollstuhl, schwenkte die Platte mit dem Laptop herum, sah, dass das Gerät noch eingeschaltet war. Bobby hatte keine Zeit mehr gehabt, noch irgendwas damit anzustellen, hatte es gar nicht erst versucht. Die Maschine lief mit dem Betriebssystem UNIX, was keine sonderliche Überraschung war. Dass ein auf Sicherheit bedachter Hacker mit Windows arbeitet, wäre so unwahrscheinlich wie der Einsatz von Gitterrosten als Luken bei den U-Booten der Marine.
    Um Einzelheiten würde er sich später kümmern; er riskierte es jedoch nicht, die Maschine auszuschalten. Ein Blick auf die Ladungsanzeige des Akkus zeigte, dass er noch zu fünfundsiebzig Prozent voll war. Das reichte für den Moment. Als Nächstes sah er sich auf dem Monitor die Kapazität der Festplatte an. Okay: 120 Gigabytes, noch vierzig Prozent freier Speicherplatz. Auf dem verdammten Ding waren mehr Daten abgespeichert als in einer durchschnittlichen Bibliothek.
    Der Laptop war mit Klemmschrauben an der Stahlplatte vor dem Sitz des Rollstuhls befestigt, und er musste einige Sekunden daran herumfummeln, bis das Ding freikam. Beim Lösen der Schrauben sah er, dass eine Wi-Fi-Antenne aus
dem seitlichen PCMCIA-Einschub des Laptops herausragte. Aha, es steckte also mehr in dem Gerät, als man nach dem ersten Anschein vermutete.
    Er trug den Laptop zur Tür, stellte ihn dort ab, ließ ihn aber eingeschaltet, dann
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