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Todesmuster

Todesmuster

Titel: Todesmuster
Autoren: Norbert Horst
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Fliegen. Durchgelatschter Teppichboden, Klamotten in den Ecken, vor einer Wand eine Batterie Schnapsflaschen. Das sind ja mindestens fünfzig. Im Wohnzimmer Gelsenkirchener Barock vom Übelsten, verstreute Klamotten, überall leere Flaschen. Kaum Bierflaschen dazwischen, fast nur harte Sachen.
    »Ob man sich wohl ab und zu ein Schnäpschen gegönnt hat?«
    Er hängt mit einer dünnen Schnur am Haken für die Lampe mitten im Raum. T-Shirt, die Unterhose bis auf die Oberschenkel gerutscht. Die Füße bis Mitte der Wade blaulila, der Unterbauch graugrün, leicht gebläht.
    »War wohl kein so glücklicher Mensch«, sie sieht sich um, tritt an eine Wippermann-Wacholderflasche. »Außerdem dachte ich immer, Erhängte hätten einen Ständer.«
    »Nicht immer. Bei Leichen ist das wie bei Männern im Allgemeinen. Mit zunehmendem Alter lässt das nach.«
    »Aha«, ganz beiläufig.
    »Nach so vielen Jahren hat man da so seine Erfahrungen.«
    »Interessant.« Mit Verwunderung.
    Was rede ich denn da?
    »Erfahrungen mit Leichen natürlich.«
    »Ich habe nichts anderes angenommen.« Sie erwidert das Lachen.
    »Wer hat ihn denn gefunden?«
    »Ein Nachbar von oben hat wegen des Geruchs angerufen. Die von gegenüber hat ihn schon mehrere Tage nicht mehr gesehen. Sonst hat er sich jeden Morgen was zu trinken geholt. Der Schlüssel saß von innen, es war abgeschlossen. Der Schlüsseldienst hat den Zylinder abgedreht und ’nen neuen eingesetzt. Hier sind die Schlüssel und der alte Zylinder.«
    »Was war mit den Fenstern?«
    »Die waren alle geschlossen. Das da haben wir auf kipp gestellt wegen der Fliegen und des Geruchs.«
    Mein Gott, sieht das aus hier. Abschiedsbrief ist bestimmt nicht. Würde man auch gar nicht finden in der Scheiße.
    »Bin ich noch vonnöten?« Fragende Mimik.
    »Ja, du könntest mit anfassen. Allein kriegt man die so schlecht runter.« Aber erst ein paar Fotos. In der Polaroid noch fünf Bilder. Hätte ich auch vorher dran denken können. Aber die reichen wahrscheinlich. Der weggetretene Stuhl ist wichtig.
    »Ihr habt am Stuhl nichts gemacht?« Sie schüttelt den Kopf.
    »Der Notarzt auch nicht?«
    »Der ist kaum im Raum gewesen. Wer so riecht, lebt schon länger nicht mehr, waren seine Worte, sinngemäß.«
    »Gut. Also. Ich nehm ihn am besten oben an der Schlinge, du nimmst die Füße und wir lassen ihn einfach auf den Boden gleiten. Hast du Handschuhe?«
    »Hier nicht, aber im Wagen.«
    »Ich hab welche dabei.« Sie nimmt das Paar, leises Quietschen beim Anziehen. Der hat bestimmt so seine achtzig Kilo. Auf den Stuhl und von hinten. Jutta fasst die Füße, Schnitt dicht unterm Haken. Er fällt schwer nach unten, die dünne Schnur schneidet in den Handballen.
    »Zieh ihn zu dir.« Sie zieht die Füße in ihre Richtung, er fällt dumpf auf den Teppichboden. Mit einem gurgelnden Rülpser fließt weißes Zeug mit Brocken aus seinem Mund. Mann, war schwerer, als er aussah. Aber das sind sie immer. Warum fühlen sich Tote eigentlich immer schwerer an. Die Kollegin aus dem Streifenwagen kommt ins Zimmer.
    »Wir haben seit vier Minuten einen Einsatz.«
    Jutta mit fragender Miene.
    »Alles klar. Das war’s. Den Rest schaffe ich allein. Vielen Dank für die Hilfe, war nett.« Sie winken, gehen.
    »Einen Gefallen könnt ihr mir noch tun. Die Leitstelle soll einen Bestatter schicken. Sollen den nächsten nehmen.« Sie gehen.
    So, was machen wir denn jetzt mit dir. Deutliche Strangulationsfurche, lagegerechte Totenflecke. Der Daumen sinkt beim Drücken einen Zentimeter tief in die Wade, beim Wegnehmen bleibt die Stelle lila. Nicht mehr wegdrückbar. Deutliche Fäulnisbildung im Unterbauch. Mundhöhle frei. Beim Auseinanderziehen verbindet die Arschbacken ein brauner Schleimfaden. Kotabgang. Samenabgang nicht erkennbar. Fenster zu. Schlüssel saß von innen. Sieht doch alles ganz gut aus. Wer ist er denn? In der Ablage vom Wohnzimmerschrank Papierkram. Städtisches Krankenhaus. Heinz Meyer, Heidelberger Weg 28. Heinz Meyer also. Bist du das? Der ist erst vor vier Wochen aus dem Krankenhaus gekommen. Na, Heinz, Probleme mit der Leber? In der Schublade nichts Wichtiges. Kein Ausweis oder so was? In der Jacke im Flur eine Brieftasche, mit Personalausweis, na, also. Altes Ding. Abgegriffene Fotos, alte Kassenzettel, zwei Euro dreißig.
     
    Der Beerdigungsunternehmer kommt mit Plastiksarg reingepoltert. Den kenn ich gar nicht.
    »Lehmann. Mahlzeit.«
    »Kirchenberg, Kripo. Wir kennen uns noch gar nicht.«
    »Richtig. Aber mit
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