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Todesmelodie

Todesmelodie

Titel: Todesmelodie
Autoren: Christopher Pike
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mit, das genauso aussieht wie du, Sharon!«
    »Wenn das stimmt, spielt sie wahrscheinlich die Leiche«, gab die Freundin seufzend zurück. Sie machte öfter solche Bemerkungen über ihr Aussehen, aber Ann vermutete, daß sie es mehr aus Gewohnheit tat als aus echter Unsicherheit, denn Sharons Gesicht wirkte sehr interessant. Vielleicht war ihr Kinn eine Spur zu quadratisch, und auf ihrer Nase befand sich ein kleiner Höcker, aber sie hatte ein so gewinnendes Lächeln und so warm blickende braune Augen, daß die Jungen sie anhimmelten.
    Ihre Figur war zweifellos sehr sexy, und viel von ihrem Zauber lag in der Art, wie sie die einfachsten Dinge tat, zum Beispiel in der Mittagspause übers Schulgelände schlendern.
    Obwohl sie klein war, nicht mal eins fünfundfünfzig, drückte ihr energischer Gang viel Selbstvertrauen aus und hinterließ bei anderen den Eindruck, daß sie genau wußte, wohin sie wollte.
    Alles an ihr war pure Zielstrebigkeit, und die Männerwelt schien sich dadurch beileibe nicht so abgeschreckt zu fühlen, wie die Frauenzeitschriften das ihre Leserinnen immer glauben machen wollten. Viele Jungen fanden Sharons Art erfrischend, und so wurde sie sehr oft eingeladen. Aber sie lehnte meistens ab. »Ich muß üben«, war ihre stereotype Antwort. In diesem Jahr war sie nicht mal zum Schulball gegangen, an dem sie im vergangenen Jahr noch mit Jerry teilgenommen hatte…
    Sharon untertrieb jedenfalls meist was ihr eigenes Aussehen anging – aber dafür schwärmte sie von Anns. Damit stand sie nicht allein, die Bewunderung strömte Ann von allen Seiten zu, und das hatte seinen Grund.
    Ann war nicht einfach nur hübsch im herkömmlichen Sinn; sie hatte eins dieser seltenen Gesichter, für die Filmproduzenten und Talentsucher aus der Modeszene um die halbe Welt reisen. Und wie Paul hatte auch sie zwei Seiten: Wenn sie ihren Kopf nach der einen Seite drehte, wirkte sie so unschuldig wie das sprichwörtliche Lamm, aber von der andern Seite gesehen machte sie den Eindruck, als sei sie jederzeit bereit für eine Nacht voller verbotener Genüsse.
    Ihre Augen waren von einem kühlen, schimmernden Grün, ihre Lippen voll und rot. Viele Leute hielten ihre langen dunklen Haare für eine Perücke, weil sie so fein und vollkommen waren.
    Aber Anns Schönheit schenkte ihr keine Befriedigung, sowenig wie ihr Geld, denn sie fühlte, daß beides nichts mit ihrem wirklichen Selbst zu tun hatte – es war ihr ganz einfach in die Wiege gelegt worden.
    Deshalb gab es auch noch etwas anderes an Sharon, das Ann faszinierte: Sharon war auch mit ihrem musikalischen Talent geboren worden, aber sie hatte es durch jahrelanges, ständiges Üben vervollkommnen müssen. Sie besaß ebensoviel Geduld wie Entschlossenheit – und diese Geduld würde sie brauchen, wenn sie auf ihre Entlassung aus dem Gefängnis wartete…
    »Warum sollte das Mädchen sterben, nur weil es dir ähnlich sieht?« fragte Ann, als ihr Sharons Kommentar wieder einfiel.
    »Ich glaube nicht daß mein Gesicht sich für Serien eignet«, gab Sharon zurück.
    »Fred scheint da aber anderer Meinung zu sein«, warf Chad ein. »Er kommt immer wieder. Strebt eure Beziehung etwa einem Höhepunkt zu?«
    »Mehreren«, erwiderte Sharon trocken, und Ann lachte mit den anderen. Sie wußte genau, wie konservativ Sharon war – das bewies schon allein die Tatsache, daß sie noch nie mit einem Mann geschlafen hatte. Auf der anderen Seite aber hatte sie gerade in dieser Beziehung einen Mutterwitz, mit dem Ann sich nicht messen konnte.
    »Fred kommt doch auch mit oder?« fragte Paul jetzt.
    Er hatte Sharon vor einigen Monaten mit Fred Banda bekannt gemacht. Fred spielte Gitarre in einer Bar in Martyr, der Nachbarstadt von Wonderwood, und Paul ging öfter auf ein paar Bier dorthin. Fred war wie er zwanzig, und Ann wußte so gut wie nichts über ihn, außer daß er wenig redete und mittelmäßig E-Gitarre spielte, wobei Sharon sein Können offensichtlich überschätzte.
    »Er würde gern mitkommen«, meinte sie vorsichtig.
    »Es wird ziemlich heiß werden nächstes Wochenende«, sagte Chad. »Wahrscheinlich müssen wir ein Nacktbad im Fluß nehmen, um uns abzukühlen.«
    »Hört sich gut an«, kommentierte Ann, was Paul ein verwundertes »He, he!« entlockte.
    »Bringst du denn auch jemanden mit?« erkundigte Sharon sich bei Chad. Er grinste. »Ja, euch natürlich. Oder war dieser Ausflug etwa nicht meine Idee?«
    Ann stellte sich neben ihn und legte ihren Arm um ihn, wobei sie seine
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