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Todesmelodie

Todesmelodie

Titel: Todesmelodie
Autoren: Christopher Pike
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gehabt.
    »Ich weiß, wie du heißt, McKay mit großem ›K‹. Ich bin der Anwalt, dem dein Fall übertragen worden ist.«
    »Aber warum?«
    »Warum was?«
    »Warum ist Ihnen mein Fall übertragen worden?«
    »Gestern abend hast du dem diensthabenden Beamten erzählt du könntest dir keinen eigenen Anwalt leisten, weißt du das nicht mehr?«
    »Nein, ich meine… warum muß ich überhaupt vor Gericht?«
    John schien ihre Frage interessant zu finden und beugte sich zu ihr vor. Er hatte regelmäßige, blendendweiße Zähne. »Du bist unter dem Verdacht verhaftet worden, Ann Rice ermordet zu haben. Hat man dir das gestern abend nicht gesagt, als du über deine Rechte aufgeklärt wurdest und sie dir die Handschellen angelegt haben?«
    »Doch, ich glaube ja.«
    »Bist du sicher? Haben sie dir wirklich deine Rechte vorgelesen?«
    »Ja.«
    »Gut. Und deswegen bin ich hier: Du sollst jedes einzelne von diesen Rechten in Anspruch nehmen können, die dir nach der Verfassung zustehen!« Er wandte sich wieder seinem Notizblock zu und strich mit den Fingern die Seiten glatt. »Du hast ziemliches Glück gehabt! Die meisten andern hier warten mehrere Tage, bevor sie mit mir reden dürfen!«
    Sharon fühlte sich alles andere als glücklich, und er begann schon, ihr unsympathisch zu werden. »Tatsächlich?«
    »Ich glaube, das hier wird eine große Sache«, meinte er.
    »Und deshalb sind Sie sofort zu mir gerannt, stimmt’s?«
    »Ich nehme meinen Job eben ernst«, erklärte er und nahm seinen Kuli. »Erzähl mir, was passiert ist!«
    »Ich habe Ann nicht umgebracht«, beteuerte Sharon.
    John lächelte ihr zu. »Ich bin dein Anwalt, Sharon. Mir kannst du die Wahrheit sagen. Ich erzähle es niemandem, Ehrenwort!«
    »Ich hab’ sie aber nicht umgebracht! Ann war meine beste Freundin, und ich hätte ihr nie irgendwas Böses tun können. Sie ist von dieser Klippe gesprungen!«
    »Hatte sie denn Depressionen?«
    »Nein, hatte sie nicht!«
    »Warum hätte sie sich dann umbringen sollen?«
    »Ich weiß es nicht«, mußte Sharon zugeben.
    »Das können wir dem Richter aber so nicht erzählen«, meinte John.
    »Warum nicht? Es ist die Wahrheit!«
    »Das wird er dir ganz einfach nicht glauben.«
    »Glauben Sie mir denn?« wollte Sharon wissen.
    »Ich bin dein Anwalt, ich muß dir glauben.«
    Er spielte mit ihr, das spürte sie, und diese Erkenntnis zusätzlich zu allem andern, was sie durchgemacht hatte, brachte sie fast zum Heulen. Aber sie war nicht der Typ, der vor andern in Tränen ausbrach, genausowenig wie Ann es gewesen war.
    »Und wenn ich Sie als Anwalt ablehne?« fragte sie ihn.
    »Du kannst verlangen, daß dein Fall jemand anderem gegeben wird. Aber das würde ich an deiner Stelle lieber nicht tun!«
    »Warum eigentlich nicht?«
    Wieder beugte er sich zu ihr vor, noch ein bißchen weiter als das letztemal, und sah sie eindringlich an. »Weil ich gut bin, Sharon, sehr gut. Ich bin der Beste, den du in diesem Bundesstaat finden kannst.«
    Wenn auch vielleicht nicht sonderlich nett, selbstbewußt war er jedenfalls, fand Sharon und nickte. »Na gut, Mr. Richmond.«
    »Johnny, bitte.«
    »Johnny«, wiederholte sie und zuckte mit den Schultern. »Was soll ich Ihnen sonst noch erzählen? Ich habe Ann nicht von der Klippe gestoßen!«
    Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und ließ die Mine seines Kulis pausenlos auf und ab schnellen. Er konnte noch keine dreißig sein. Aus seiner lebhaften und großspurigen Art schloß sie, daß er von einer der großen Ivy-League-Schulen kommen mußte. Was ihn ausgerechnet nach Utah verschlagen hatte, konnte sie sich nicht vorstellen, es sei denn die Hoffnung, einen wichtigen Mordprozeß zu gewinnen, so daß er sich bei einer wichtigen Wahl um ein bedeutendes Amt bewerben könnte.
    »Kann ich ganz offen mit dir reden?« fragte er jetzt.
    »Ich dachte, das täten Sie schon die ganze Zeit«, gab sie zurück.
    »Warst du vorher schon mal im Gefängnis?«
    »Nein«, antwortete sie.
    »Es ist nicht gerade lustig!«
    »Oh, tatsächlich?« fragte sie sarkastisch.
    »Hast du heute nacht auch nur eine Minute geschlafen?« erkundigte er sich.
    »Nein, und ich bin ziemlich müde. Wann können Sie mich auf Kaution hier herauskriegen?«
    »Ich weiß nicht, ob ich das schaffe.«
    »Wie bitte?« Sharon hatte angenommen, das sei eine reine Formsache. All diese Gangster in den Spielfilmen kamen doch auf Kaution frei, und sie war immerhin vollkommen unschuldig!
    »Ich habe schon mit dem Bezirksanwalt über dich
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