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Todesmelodie

Todesmelodie

Titel: Todesmelodie
Autoren: Christopher Pike
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allzulange zu arbeiten, bis es ganz durchriß. Gott sei Dank!
    Aber sie hörte keinen Schrei – warum zum Teufel schrie er nicht?
    Sharon kroch vorsichtig auf die Kante zu. Sie hatte in ihrem Leben reichlich Gruselfilme gesehen, und sie hielt vorsichtshalber das Messer bereit. Wenn jetzt plötzlich eine blutige Klaue nach ihr griff, würde sie sie ganz einfach abschneiden!
    Sharon riskierte einen Blick nach unten…
    »Sieht so aus, als hättest du gewonnen«, meinte Chad, der auf dem Vorsprung stand, das durchtrennte Seil in der Hand.
    Sharon hätte am liebsten laut gejubelt. »Du sitzt in der Falle!«
    Er nickte kläglich. »Ich habe gespürt, daß du dabei warst, das Seil durchzuschneiden, und ich wußte, daß ich es nicht bis oben schaffen würde.«
    »Du hast also die Nerven verloren und bist zurückgeklettert? Feigling!«
    »Sei still!«
    Sie konnte es nicht lassen, sich über ihn lustig zu machen – ihre Erleichterung war zu groß. »Keine Angst, die Polizei wird dich schon wieder raufbringen!«
    Chad wischte sich mit dem Arm über das blutverschmierte Gesicht.
    »Ich hab’ nicht vor, auf die Polizei zu warten!«
    Sharon erschrak. »Du wirst doch wohl nicht versuchen, ohne Seil hier hochzukommen, oder?«
    »Wenn ja, was würdest du dann machen?«
    »Dich erstechen – oder deine Finger abschneiden!«
    »Das glaube ich dir.« Er blickte noch auf das Stück Felswand, das sie voneinander trennte. Es war jetzt fast völlig dunkel, und sie wußte nicht genau, was er sehen konnte. »Ich würde das letzte Stück sowieso nicht schaffen, weil die Klippe überhängt und die Wand vorgeneigt ist«, sagte er ruhig.
    »Dann bleib da – ich hole jemanden, der dir helfen kann.«
    Chad schüttelte den Kopf. »Du hast mir nicht richtig zugehört: Ich werde nicht mehr da sein, wenn du wiederkommst!«
    »Und wohin willst du?«
    »Runter.«
    Sie konnte nicht sagen, warum es ihr so leid tat. Er war ein Psychopath, und er hatte so vielen Menschen Leid zugefügt. Bis vor einer Minute hatte sie noch versucht, ihn zu töten – aber er war ihr Freund gewesen…
    »Das kannst du nicht machen«, sagte sie.
    »Warum denn nicht?«
    »Weil ich es nicht will!«
    »Weshalb?«
    »Weil du krank bist! Du mußt nicht sterben – du brauchst Hilfe!«
    »Bin ich wirklich krank?« fragte er, und es klang unsagbar traurig.
    »Ja; aber das bedeutet nicht, daß dich niemand liebt. Ich jedenfalls liebe dich!«
    »Das tust du nicht!«
    »O doch! Ich hab’ mich von dir küssen lassen, und ich wollte auch mit dir ausgehen!«
    »Können wir nicht trotzdem miteinander ausgehen?« fragte er zaghaft.
    Sharon seufzte leise. »Ich fürchte nicht, Chad.«
    »Dann springe ich!«
    »Nein!«
    Er wischte sich wieder mit dem Ärmel über das Gesicht. Sie hatte wirklich ganze Arbeit geleistet – er blutete noch immer. Jetzt verlagerte er leicht sein Gewicht auf dem Vorsprung und blickte in den Abgrund. »Es ist schon in Ordnung«, sagte er leise. »Ich hab’ keine Angst. Und verdienen tu’ ich es auch. Ich hab’ alles verdorben – Mord ist eine böse Sache!«
    »Selbstmord ist auch eine böse Sache! Bitte, Chad, hör mir zu und laß dir ein bißchen Zeit, wenigstens ein paar Minuten! Überleg dir genau, was du tust! Die Welt ist sehr schön, und du gehörst hierher!«
    »Nein!«
    »Doch; und ich möchte, daß du hierbleibst!«
    Chad blieb einen Moment still, bevor er fragte: »Bin ich wirklich eine Null im Küssen?«
    Sharon ließ sich auf die Knie hinunter und streckte ihre Hand aus, ihm entgegen. Diese Geste war tröstend gemeint, aber Sharon erkannte schnell, daß sie nutzlos war. Seine Krankheit war wie ein unterirdischer Strom, der nur in eine Richtung floß: tiefer und immer tiefer in die Dunkelheit. Sie würde ihn verlieren.
    »Du warst klasse, Chad, und es war der beste Kuß, den ich je bekommen hab’.«
    »Ehrlich?«
    »Ja!«
    »Würde es dich stören, wenn ich schreie?«
    »Nein – du kannst tun, was du willst, Chad.«
    Er streckte seine Hand aus, genau wie sie es getan hatte, und lächelte ihr zu. »Bevor sie starb, hat Ann mir etwas gesagt, das dich sicher interessierte. Sie wußte, daß ich Jerry umgebracht habe, und sie hat mir gesagt, daß ihr das, was sie dir angetan hat sehr leid täte. Sie meinte, sie habe einen Fehler gemacht und du seist die beste Freundin, die sie je gehabt hätte.«
    Sharons Augen standen voller Tränen. »Danke, daß du es mir gesagt hast!«
    »Schon gut.« Er holte tief Luft. »Leb wohl, Sharon!«
    Sie schloß die
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