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Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Titel: Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson
Autoren: Elias Palm
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Gesichtspartie ein. Im Nachhinein konnte er nicht mit Sicherheit sagen, wie viele Schläge er ausgeteilt hatte, aber diverse überall verstreute kleine Zahnsplitter bestätigten, dass die Schläge die Leiche dort getroffen hatten, wo er es beabsichtigte. Er setzte sich auf dem Fahrersitz zurecht. Selbst in dem spärlich beleuchteten Innenraum konnte er erkennen, dass das Blut bis unter seine Fingernägel gedrungen war. Äußerst bedacht darauf, die Einrichtung des Wagens nicht zu beschmutzen, legte er sachte den ersten Gang ein und fuhr zurück in Richtung Hauptstraße.

Kapitel 1
    Das Wasser in dem weißen Spülbecken färbte sich durch das Blut leicht rötlich. Ella spülte sich die Hände und Unterarme unter dem warmen Strahl ab. Mit einem resignierten Seufzer warf sie einen Blick in den Spiegel, während sie sich sorgfältig wusch. Ihr Gesicht wirkte nicht unbedingt ausgeruhter als vor dem Urlaub, dachte sie. Ihr Blick fiel erneut auf ihre Arme. Es war eigentlich nicht ihre Art, ihre Unterarme derart mit Blut zu besudeln, wie sie es heute getan hatte. Die blauen Gummihandschuhe bedeckten zwar nur ein Drittel der Unterarme, doch nach mehr als zehn Jahren Berufserfahrung hatte sie im Prinzip gelernt, sich nicht unnötig zu beschmieren. Mit der Zeit hatte sie eine Technik entwickelt, mit der sie an der Leiche in den meisten Fällen innerhalb von wenigen Minuten ohne einen einzigen Blutspritzer eine Eviszeration vorgenommen hatte. Eviszeration. Es war eigentlich nur ein Fachausdruck für die Entnahme der inneren Organe, ein Vorgang, der demjenigen, der die Leiche untersuchen würde, die Arbeit entscheidend erleichterte. Doch heute war sie nicht recht in Form gewesen und kam sich ziemlich unbeholfen vor. Sie hatte nicht nur sich selbst mit Blut beschmiert, sondern noch dazu den Boden um den rostfreien Arbeitstisch herum. Nur ein kleines Formtief nach den Weihnachtsferien, dachte sie.
    »Ella!« Die schrille Stimme der Sekretärin hallte aus der Sprechanlage des Telefons in den Obduktionssaal hinaus.
    »Ich bin hier!«
    Der Kommunikationsapparat an der Wand war alles andere als modern, aber er war praktisch, wenn man schmutzige Hände hatte.
    »Wir bekommen gleich einen neuen Fall herein«, rief die Sekretärin mit lauter Stimme.
    »Ich kümmere mich drum, wenn ich hochkomme«, antwortete Ella resigniert.
    Ihr war es zumindest gelungen zu vergessen, wie intensiv die ersten Tage nach einem Urlaub sein konnten, aber zum Glück war heute bereits Donnerstag, und das Wochenende stand vor der Tür. Es kam nicht oft vor, dass sie einen zusammenhängenden Weihnachtsurlaub nehmen konnte. Normalerweise vergingen selten mehr als zwei Wochen zwischen den etwas blutigeren Aufgabenbereichen ihrer Arbeit, aber diesmal war es fast vier Wochen her, dass sie ihren Fuß in den Saal gesetzt hatte. Was Handarbeiten betraf, war sie nie besonders begabt gewesen, doch mit dem Messer war sie verblüffend flink, und die Fingerfertigkeit, die man ihr attestierte, würde sicher bald wieder zurückkehren. Für viele war der Vergleich zwischen der Durchführung der Obduktion einer menschlichen Leiche und der Fähigkeit, Fahrrad zu fahren, wahrscheinlich ein wenig makaber, doch es gab eine Gemeinsamkeit. Hatte man es einmal gelernt, so redete sie sich ein, verlernte man es nie wieder.
    Trotz der personellen Unterbesetzung hatte man ihr den Wunsch erfüllt, über Weihnachten etwas länger frei zu nehmen. Die vier Rechtsmediziner und zwei Assistenzärzte in ihrer Abteilung hatten in den vergangenen fünf Jahren ein Arbeitspensum bewältigt, für das man eigentlich acht Spezialisten benötigt hätte. Der Mangel an Rechtsmedizinern war augenscheinlich, aber nur schwer zu kompensieren. Gewiss hatte das Interesse an diesem Fachgebiet unter den jungen Ärzten zugenommen, aber es würde noch ungefähr dreizehn Jahre dauern, bevor diese Interessenten fertige Rechtsmediziner wären.
    Aus irgendeinem Grund schlossen jedoch keineswegs alle Assistenzärzte ihre Fachausbildung ab. Vielleicht erschien vielen von ihnen die Umstellung allzu groß, von der tröstenden und heilenden Rolle des Arztes in die objektive und distanzierte des Rechtsmediziners zu schlüpfen. Deshalb unternahm man inzwischen große Anstrengungen, um bereits von Beginn an geeignete Personen einzustellen, doch in Erwartung derer mussten Ella und ihre Kollegen sich einstweilen so gut wie möglich gegenseitig unterstützen.
    Zwei Wochen, sowohl die Weihnachts- als auch die Neujahrsfeiertage,
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