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Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Titel: Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson
Autoren: Elias Palm
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waren, das Sonnenlicht zu imitieren, und auf diese Lichtquellen waren die Kameras abgestimmt, damit alle Farben so korrekt wie möglich abgebildet werden konnten.
    Zu jedem Obduktionstisch gehörten zwei Duschen und ein Abfluss im Fußboden. Das Wasser wurde in einem großen Tank unter dem Gebäude gesammelt, der separat entleert wurde. Nichts von dem mit Blut vermischten Wasser, das im Abfluss verschwand, kam mit der übrigen Kanalisation der Stadt in Berührung. Der Betreiber des Gebäudes hatte eine lange Liste von Auflagen zu erfüllen, damit die Beschaffenheit der Räumlichkeiten der speziellen Nutzung durch die Abteilung gerecht wurde. Man hatte nichts dem Zufall überlassen. Aus naturgemäßen Gründen kam auch der Ventilation eine beträchtliche Bedeutung zu. Ella war die ständig wiederkehrende Frage bereits seit Langem leid, ob sie sich dieselbe weiße Creme unter die Nase rieb wie Jodie Foster in der berühmten Obduktionsszene im Schweigen der Lämmer . Sie tippte darauf, dass es sich um eine Art Mentholcreme handelte und dass mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr viel von ihrer Oberlippe übrig geblieben wäre, wenn sie sie täglich angewendet hätte, doch der Leichengeruch war schlicht und einfach etwas, an das man sich gewöhnte. All die Partikel, die in ihre Nase drangen und anfänglich eine ganze Symphonie von Signalen über die Geruchsnerven ins Geruchszentrum des Gehirns schickten, bemerkte man bereits nach ein paar Minuten nicht mehr. Das Gehirn gewöhnte sich rasch daran und erstellte daraufhin einen völlig neuen Referenzrahmen für Gerüche. Inzwischen benötigte Ella mehr als nur einen Toten, damit ihr Geruchszentrum zum Leben erwachte.
    Das traf wahrscheinlich auf jeden aus vom Obduktionspersonal zu. Dennoch kamen die Assistenten manchmal auf die Idee, den Gestank von allzu übelriechenden Leichen zu übertünchen, indem sie diverse Duftsprays im Saal versprühten. Diese rochen oftmals nach Zitrusfrüchten, Lavendel oder Ähnlichem, und die einzige Folge war, dass Ella daraufhin auch Zitronen und provenzalische Landschaften mit Leichen assoziierte. Noch dazu völlig unnötig. Der Geruch der Verstorbenen machte ihr schließlich nichts aus.
    Einen Großteil der vorbereitenden Arbeit mit den Leichen hatten die Assistenten der Rechtsmedizin bereits ausgeführt, bevor sie selbst im Obduktionssaal erschien. Außer der Tatsache, dass die Toten gemessen und gewogen werden mussten, gehörte es zu den Arbeitsaufgaben der Assistenten, die Toten zu entkleiden. Diese kundigen und erfahrenen Mitarbeiter waren also diejenigen, die in der Abteilung den ersten physischen Kontakt mit dem Toten hatten. Oft fielen ihnen dabei bereits eventuelle Abweichungen von der Norm auf oder besser gesagt Abweichungen von dem, was sie im Hinblick auf ihre Arbeit als normal ansahen, was aber von Bedeutung für einen Fall sein konnte. Als die Assistenten sich den ersten Fall des heutigen Tages vornahmen, wurden sie just mit einer solchen Situation konfrontiert, in der die Erfahrungen aus ihrer morbiden Wirklichkeit entscheidend gefragt sein sollten.
    Als Ella die Leiche erblickte, war ihr erster Gedanke, dass ihr Mitarbeiter in einem Anflug von Nachlässigkeit darauf verzichtet hatte, den jungen Mann auszuziehen. Doch nach einem näheren Blick auf die Leiche ahnte sie, dass dies nicht der Fall war. Irgendetwas an der Kleidung des Mannes auf dem stählernen Tisch war seltsam. Sein eng anliegender kurzärmeliger Pulli war in den Bund einer ausgebleichten Jeans gesteckt, die ziemlich weit bis zur Taille hochgezogen war. Die Hose war eher so geschnitten, dass sie normalerweise lose über den Hüften hing und die Oberkante des Slips sichtbar werden ließ, doch nun saß sie mit einem dünnen glänzenden Lackgürtel auf Höhe des Bauchnabels. Außerhalb einer Sporthalle sah man heutzutage auch nicht gerade viele junge Männer in weißen Tennissocken, stellte Ella fest. Die Kombination war nicht gerade kleidsam, doch hin und wieder konnte man so etwas noch zu sehen bekommen. Das Problem bestand in diesem Fall darin, dass es so wenig zur Erscheinung des jungen Mannes passte. Selbst nachdem jegliches Leben aus ihm entwichen war, konnte man erkennen, dass er hübsch gewesen sein musste. Die Leiche maß 175 Zentimeter und wog 63 Kilogramm. Das Haar war blond und wirkte frisch gekämmt. Der Pulli sah teuer aus und war nach der neusten Mode am Kragen und an den Ärmeln verschlissen. Um seinen Hals lag ein grobes Seil, das zu einer
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