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Todeshaus am Deich

Todeshaus am Deich

Titel: Todeshaus am Deich
Autoren: Hannes Nygaard
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Weg, den Fall nicht
weiterzuverfolgen. Wir sparen nicht nur Kosten, sondern auch Arbeit.« Große
Jäger rieb sich die Hände. »Ich muss keinen Bericht schreiben. Die Leiche wird
eingekuhlt, und der Heimleiter freut sich, dass in seinem überaus seriösen
Etablissement nichts aus den Fugen gerät. Ich bin durchaus deiner Meinung, dass
wir uns zurücklehnen sollten. Dem Toten weint keiner eine Träne nach.«
    Christoph seufzte. Er wusste, dass die sarkastische
Antwort des Oberkommissars dessen Art war, die eigene Meinung kundzutun. Und in
der Vergangenheit hatten sie oft gute Erfahrung mit dem »Bauchgefühl« Große
Jägers gemacht. »Unser Schnüffelschwein« hatte Christoph ihn einmal genannt und
dabei offen gelassen, ob er damit den kriminalistischen Instinkt des
engagierten Polizisten oder die Nachlässigkeit bei der Einhaltung hygienischer
Mindestanforderungen meinte.
    »Gut. Ich werde mit Dr. Breckwoldt in Flensburg
sprechen.«
    Es verging über eine Stunde, bis Christoph den
Oberstaatsanwalt erreicht hatte. Er schilderte ihm den Fall. Dr. Breckwoldt
äußerte die gleichen Bedenken, die Christoph selbst vorgetragen hatte.
    »Wir haben in diesem Fall berechtigten Zweifel an
einer natürlichen Todesursache«, sagte Christoph. »Da wir hier eine
übereinstimmend kritische Meinung der Ärztin und meines erfahrenen Mitarbeiters
haben, sollten wir der Sache nachgehen, zumal sich der Heimleiter vehement
gegen den Verdacht der Medizinerin zur Wehr gesetzt hat.«
    »Also gut«, stimmte Dr. Breckwoldt zu. »Veranlassen
Sie bitte die übliche Prozedur.«
    Nach dem Gespräch wählte Christoph die Kriminaltechnik
der Bezirkskriminalinspektion in Flensburg an. Als der Hörer abgenommen wurde,
war zuerst ein Räuspern zu hören, dem eine kurze Pause folgte. Danach hustete
sich der Gesprächsteilnehmer noch einmal kräftig die Kehle frei.
    »Hallo, Klaus«, begrüßte Christoph den ewig unter
Husten und Schnupfen leidenden Hauptkommissar Jürgensen.
    »Ich fürchte, das ist Christoph, der Anführer der
Schlickrutscher«, antwortete der kleine, fast glatzköpfige Leiter des K6, der
Kriminaltechnik. »Nun erzähl mir bloß nicht, dass ihr wieder mal ‘ne Leiche
gefunden habt. Zersägt und in mehreren Kühltruhen eingefroren? Halb versunken
im Husumer Hafenschlick? Oder ertrunken in der städtischen Kläranlage? Ich habe
noch nie erlebt, dass ihr eine saubere Leiche in einem ordentlich beheizten
Raum bei euch findet.«
    »Dann kannst du uns jetzt zur Premiere gratulieren,
Klaus. Wir haben ein wunderbares Opfer für dich. Frisch gewaschen. In einem gut
geheizten Raum liegend, mit einem sauberen Bettlaken zugedeckt.«
    »Und? Wo ist der Haken? Schwimmt der Raum voll Blut?«
    »Nichts da. Alles pedantisch sauber. Kein Blut. Keine
Stichwunden. Kein Einschuss. Du glaubst fast gar nicht, dass das Opfer tot
ist.«
    »Willst du mich jetzt verarschen und mich nur zu einem
Kaffeeplausch an die Westküste locken?«
    »Der einzige Haken ist, dass das Opfer tot ist und säuerlich-fruchtig
aus dem Mund riecht, wie Große Jäger meint.«
    Einen Moment war es ruhig im Telefon. Dann folgte das
obligatorische Niesen.
    »Ist das dein Ernst?«, kam es über die Leitung.
    Christoph musste lachen. Dialoge dieser Art hatten
sich zu einem festen Ritual zwischen Jürgensen und ihm entwickelt.
    »Ich scherze nicht. Und wenn du hier bist, erhältst du
auch deine jährliche Medizin gegen Erkältungskrankheiten.«
    »O neee«, stöhnte Jürgensen. »Lass mich an Land mit
eurem Eiergrog oder dem Pharisäer. Ich habe noch heute ‘nen dicken Kopf von dem
Zeug.«
    »Vielleicht bekommst du davon einen Brummschädel. Das
mag sein. Aber deinen Schnöf vergisst du darüber bestimmt.«
    »Darum wirkt ihr Wattläufer auch nimmer so gesund.
Gut, wir machen uns auf den Weg«, wechselte der Kriminaltechniker abrupt das
Thema und ließ sich die Adresse geben.
    Inzwischen war Hilke Hauck ins Zimmer gekommen.
    »Harm, drück mal auf den Knopf«, scherzte Große Jäger
und meinte damit, dass Mommsen »Zickenalarm« auslösen sollte. Er wunderte sich,
dass die Kollegin, die sonst zuverlässig wie ein alter VW -Käfer auf seine Frotzeleien ansprang, nicht reagierte,
sondern sich kommentarlos an Christophs Schreibtisch setzte. Trotz seines
manchmal ruppig wirkenden Auftretens hatte der Oberkommissar ein feines Gespür
für besondere Situationen und verzichtete auf weitere Bemerkungen. Er zündete
sich eine neue Zigarette an und rollte mit seinem Bürostuhl ebenfalls
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