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Todeshaus am Deich

Todeshaus am Deich

Titel: Todeshaus am Deich
Autoren: Hannes Nygaard
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an
Christophs Arbeitsplatz, als Hilke Hauck zu berichten begann.
    »Wir haben da ein ernstes Problem. Ich habe die letzte
Adresse, unter der Thorben Althoff gemeldet ist, ermittelt und einen
Streifenwagen hingeschickt, nachdem ich ihn telefonisch nicht erreichen konnte.
Es gibt kein Namensschild an der Haustür. Die Kollegen haben geklingelt und
erfahren, dass der Mann über Nacht sang- und klanglos verschwunden ist. Keiner
weiß, wohin. Er steht auch im Telefonbuch. Aber unter der Rufnummer erfährt man
nur, dass der Anschluss vorübergehend nicht erreichbar ist.«
    »Was ist denn mit diesem Typen?«, wollte Große Jäger
wissen, nachdem auch Mommsen seine Arbeit unterbrochen und Hilkes Ausführungen
gelauscht hatte.
    Christoph berichtete die Hintergründe.
    »O Scheiße«, knurrte der Oberkommissar und erachtete
es als nicht notwendig, diesen Kommentar zu ergänzen.
    Mommsen hatte sich an seinen Computer begeben. Das
leise Klappern der Tastatur war für einen Augenblick das einzige Geräusch im
Raum.
    »Thorben Althoff?«, fragte er nach einer Weile.
    Die anderen sahen ihn an.
    »Ja«, bestätigte Christoph.
    »Gegen den liegt eine Anzeige wegen Betrugs vor. Er
ist über Nacht aus seiner Wohnung in der Hermann-Tast-Straße ausgezogen,
nachdem er mehrere Monate die Miete schuldig geblieben war. Das war im April
des letzten Jahres. Eine zweite Anzeige wegen des gleichen Delikts ist vom Ende
des Jahres datiert.«
    »Also ein Mietnomade«, stellte Große Jäger fest. »Der
Bursche zieht in renovierte Wohnungen ein, bleibt die Miete schuldig, und wenn
es dann brenzlig wird, zieht er weiter.«
    »So sieht es aus«, stimmte Mommsen zu.
    »Das ist die eine Seite der Medaille. Wir suchen ihn
aber als Knochenmarkspender für einen kleinen Jungen, der um sein Leben kämpft.
Bei allem Respekt vor den Interessen der Geschädigten sollten wir dieses Ziel
nicht aus den Augen verlieren«, gab Christoph zu bedenken.
    »Und wie willst du das voneinander trennen? Wenn du
ihn gefunden hast, kannst du ihm schwerlich freies Geleit für die humanitäre
Sache zusichern, ihn dann wieder laufen lassen und eine erneute Suche wegen der
Betrugsfälle starten.« Große Jäger hatte sich eine weitere Zigarette angezündet
und schlürfte laut und vernehmlich an seinem Kaffeebecher.
    »Das ist ein Problem, das wir lösen, wenn wir Althoff
gefunden haben. Es wäre nicht das erste Mal, dass uns Gesuchte wieder
entwischen. Ich denke da an den Fall, in dem ein Mittelloser unmittelbar vor
seiner Verhaftung verschwunden ist, weil er kurz davor durch einen anonymen
Anruf gewarnt wurde.«
    Große Jäger grinste über das ganze Gesicht. »Manchmal
geschehen wirklich merkwürdige Dinge. Ich stimme dir aber zu, Christoph, dass es
unsere oberste Aufgabe sein muss, dem kranken Kind zu helfen.« Der
Oberkommissar stand auf. »Los, Tante Hilke, ich bin zwar nur ungern mit so
einer heißen Mutti wie dir allein unterwegs, aber wir beide machen uns jetzt
auf die Socken und gucken einmal, ob wir etwas über den Burschen
herausbekommen.«
    Hilke Hauck stemmte die Arme in die Hüften, was bei
ihrer leicht stämmigen Figur lustig aussah. »Gut, Onkel Remmidemmi, auf denn.
Aber ich fahre!«
    »Ich werde doch keine Frau ans Steuer lassen. Dafür
ist mir mein Leben zu wertvoll.«
    »Wenn man dich fahren lässt, dann …«
    Der Rest des Dialogs ging hinter der verschlossenen
Tür weiter, als die beiden das Büro verlassen hatten.
    Christoph griff zum Telefonhörer und schmunzelte immer
noch, als sich am anderen Ende der Leitung eine resolute Frauenstimme meldete.
    »Praxis Dr. Hinrichsen. Mein Name ist Bergmann.«
    »Hallo, Anna«, begrüßte er die Sprechstundenhilfe, mit
der ihn seit seiner Zeit in Husum mehr als eine lockere Freundschaft verband.
»Was machen wir heute Abend?«
    »Ich werde mir ein paar ruhige Stunden gönnen«,
erwiderte Anna mit spitzer Zunge. »Ich nehme an, du hast sie auch nötig.«
    Christoph war am Wochenende in Kiel gewesen, seinem
immer noch offiziellen Familienwohnsitz, wo seine Ehefrau Dagmar Partnerin in
einer Anwaltskanzlei war und sein Sohn lebte, der in diesem Jahr im zweiten
Anlauf sein Abitur schaffen wollte. Durch die beruflich erzwungene ständige
Abwesenheit hatte sich ihr Verhältnis zueinander gewandelt. Aus der im Laufe
vieler Ehejahre zur Gewohnheit gewordenen Beziehung war zuerst eine
Wochenendehe geworden, wie sie vielen Menschen durch die geforderte »neue
Mobilität« aufgezwungen worden ist. Dann hatte sich die Ehe zu
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