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Todesgruß vom Gelben Drachen

Todesgruß vom Gelben Drachen

Titel: Todesgruß vom Gelben Drachen
Autoren: Stefan Wolf
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i-Tönen hing für einen Moment in der Luft.
Dann warf Schlitzauge sich herum. Jetzt zeigte er, daß er flitzen konnte. Im Nu
war er hinter Baumstämmen verschwunden.
    Verdammt.
    Tim setzte nach, rannte noch schneller
als der Verfolgte und wunderte sich, daß er ihn nicht sah. War der auf einen
Baum geklettert?
    Tim blieb stehen. Im selben Moment
hörte er das Motorrad.
    Rechts dort drüben, wo der Waldweg
verlief, wurde es gestartet. Der Motor jubelte, und die Maschine preschte stadtwärts
davon.
    Ausgetrickst. Der Chinese hatte einen
Haken geschlagen. Tim war geradeaus gestürmt. Aber Schlitzauge hatte längst
nach rechts die Biege gemacht.
    Zähneknirschend schlurfte Tim zurück.
Unglaublich! Ein Chinese überfällt eine Greisin und fängt an, das Haus zu durchwühlen.
Wonach hatte er gesucht?
    Er ist zwar kein Hiesiger, dachte Tim,
mir aber voraus. Zu ihm hat sich das Gerücht vom Tipperitzki-Schatz schon
rumgesprochen. Wahnsinn!
    Als er den umgekippten Zaun erreichte,
fiel ihm was ein. Er machte kehrt, stiefelte zur Eiche und suchte den Boden ab.
Die Mehlmenge auf dem Laub hätte gereicht für drei bis vier Pfannkuchen,
schätzungsweise. Mehl?
    Tim nahm eine Probe mit Daumen und
Zeigefinger. Das Zeug roch nach Waldboden. So kam man nicht weiter. Tim zog
einen Brief aus der Brusttasche. Er war schon zweimal gelesen, steckte aber
noch im Kuvert: ein Brief von Tims Mutter. Jede Woche schrieb sie ihm ins viele
Bahnstunden entfernte Internat, und ebenso oft antwortete er: nicht
pflichtschuldig, sondern gern. Er schrieb ihr alles, was ihn bewegte. Nicht
umsonst verstanden sie sich großartig.
    Tim opferte den Umschlag, schaufelte
soviel wie möglich von dem Pulver hinein und falzte den Rand per Fingernagel.
    Wenn das Mehl ist, dachte Tim, melde
ich mein Gehirn zur Kopfwäsche an.
     
    *
     
    Der Notarzt-Wagen fuhr ab. Das
Blaulicht flackerte und zog eine gespenstische Spur durch den Nebel.
    Die alte Dame befand sich nun in guten
Händen. Und das war auch nötig. Sie hatte das Bewußtsein nicht wiedererlangt.
Bedenklich hatte der Arzt mit dem Kopf gewackelt.
    Lebensgefahr bestünde wohl nicht. Aber
in dem hohen Alter könnten leicht Komplikationen auftreten.
    Tim sah seine Freunde an. Allen stand
der Schock auf dem Gesicht.
    „Wenn es eine Steigerung gibt von
Brutalität“, sagte Tim, „dann dies.“
    Kommissar Glockner kam aus dem
Nebenraum. Die Kollegen Kistler und Hoffebaum waren noch in den anderen Zimmern
unterwegs. Es war ja eine riesenhafte Villa — mit zwölf Zimmern, die zusammen
an die 400 Quadratmeter Wohnfläche ausmachten. Und überall standen sich alte
und uralte Möbel im Weg. Die Luft roch nach Plüsch, Staub und dem Holz der
Möbel: nach Kirschbaum und Eibe.
    „Der Täter hat drei Räume durchwühlt“,
sagte Gabys Vater. „Es sieht aus wie auf dem Schlachtfeld. Entweder er hat sich
enorm beeilt, oder die Reihenfolge spielte sich anders ab.“
    „Als ich kam“, sagte Tim, „blutete die
Oma. Blut trocknet rasch. Auch aus einer Rißwunde am Kopf. Sie meinen also,
Herr Glockner, der Täter hat erst gestöbert und dann zugeschlagen?“
    Der Kommissar nickte. „Ich vermute,
Frau von Tipperitzki war eingeschlafen. Die Terrassentür stand spaltweit offen.
Sicher, weil der Raum hier überheizt ist. Der Täter drang ein, nutzte die
Gelegenheit und durchsuchte die beiden Zimmer nebenan. Dann hat er sich hier
umgesehen. Die Schränke wirken vielversprechend. Die alte Adelheid wurde wach.
Der Kerl schlug zu. Ihr habt geklingelt. Der Kerl ist getürmt.“
    „Hat er den Tipperitzki-Schatz gefunden
— falls es ihn gibt?“ Glockner hob die Achseln. „Das wissen wir erst, wenn uns
die alte Dame sagt, wo sich die Pretiosen ( Kostbarkeiten ) befinden — falls
es sie gibt.“
    „Ob sie den Täter gesehen hat?“ fragte
Karl.
    „Vermutlich nicht. Sie saß im Sessel.
Der Hieb wurde von hinten geführt.“
    Für einen Moment herrschte Schweigen.
Alle empfanden Abscheu.
    Dann nahm Klößchen den Tortenkarton,
den Gaby auf die Couch gestellt hatte, und trug ihn auf die Terrasse.

    „Muß kühl stehen“, meinte er, als er
zurückkam, „wäre schade, wenn die Torte verdirbt. Die Frau Adelheid freut sich
auch später. Nach der Genesung.“
    Tim wandte sich an Glockner. „Haben Sie
das weiße Pulver geprüft?“
    Der Kommissar nickte. „Deine Vermutung
stimmt. Es ist Heroin. Sogenannter Brown Sugar (brauner Zucker). In der
Drogenszene kostet ein Gramm zur Zeit 1000 Mark. In deinem Briefumschlag steckt
also
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