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Todesgruß vom Gelben Drachen

Todesgruß vom Gelben Drachen

Titel: Todesgruß vom Gelben Drachen
Autoren: Stefan Wolf
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ein Gegenwert von etwa 20 000 Mark. Noch viel mehr ist bei der Eiche auf
dem Boden verstreut. Also hatte der Chinese eine Tüte oder einen Plastikbeutel
unter der Jacke. Durch deinen Lanzenstoß ist das aufgeplatzt. Der Chinese, Tim,
ist ein Dealer. Vermutlich hat er bei der Eiche auf jemanden gewartet. Die
Frage ist nun: War der Chinese hier? Ist er der Täter? Daß er nicht weglief,
sondern bei der Eiche rumstand, spricht eigentlich dagegen. Es sei denn, er ist
besonders abgebrüht und läßt es darauf ankommen. Auf jeden Fall müssen wir ihn
finden. Für mich gibt es keinen Zweifel: Er gehört zu den Triaden.“
    „Wer sind denn die?“ fragte Gaby.
    „Man könnte sagen: die chinesische
Mafia. Eine chinesische Verbrecher-Organisation also, die Schutzgelder erpreßt
und mit Drogen handelt, aber auch andere Verbrechen verübt. Hongkong und
Singapur sind die Zentralen. Von dort hat sich ein Netz über die ganze Welt
gespannt. In amerikanischen Großstädten sind die Triaden berüchtigt. Dann
faßten sie Fuß in London und in Amsterdam. Und jetzt auch bei uns. Jedenfalls
liegen uns erste Hinweise vor. Die Anzeichen mehren sich.“
    „Und was treiben sie hier?“ fragte Tim.
    „Es scheint, daß sie den einheimischen
Dealern Konkurrenz machen wollen. Unsere Ermittlungen laufen erst an. Ich sehe
da eine riesengroße Gefahr.“
    „Geschichtlich“, ein heller Schimmer
überzog Karls Gesicht, „haben die Triaden einen anderen Ursprung. Man sagt,
diese Organisation sei im Jahre 1674 gegründet worden. Aber damals ging es
nicht um Verbrechen, sondern um politischen Widerstand. Die herrschenden Kaiser
der verhaßten Ching-Dynastie sollten aus China verjagt werden. Sie regierten
von 1644 bis 1911 und wurden von den Chinesen als Fremdherrschaft angesehen — als
mongolische. Man wollte die Ming-Dynastie. Aus diesen nationalistischen
Widerstandskämpfern — den Triaden — wurden erst in unserem Jahrhundert
reinrassige Verbrecher.“
    Glockner nickte. „Ausgezeichnet, Karl.
Dein Computer-Gehirn hat wirklich von allem was gespeichert.“
    Karl wurde rot vor Freude über das Lob.
    Klößchen sagte: „Am besten, Gaby, die
Torte kommt nachher in den Eisschrank.“
    Tim dachte nach.
    Lam Wung Chung! dachte er. Mein
väterlicher Lehrer und Gönner mit dem ulkigen Beinamen — Lam hat vielleicht
Infos über diesen schlitzäugigen Ganovenverein.
    „Würdest du den Chinesen wieder
erkennen?“ fragte Glockner.
    Tim zögerte mit der Antwort.
    „Eher nein“, meinte er dann. „Die
Durchschnitts-Chinesen sehen für mich alle gleich aus. Und der Schwarzlederne
ist totaler Durchschnitt. Freilich — da war, glaube ich, eine Narbe am
Mundwinkel. Lam Wung Chung ist für mich der einzige, der sich gesichtsmäßig von
seinen Landsleuten abhebt.“
    „Wer?“
    „Der Morgennebel, in dem das Krokodil
auf Krabbenfischer lauert, hähähäh“, grinste Klößchen. „Im Ernst, Herr Glockner.
Das ist Lams Beiname. Chinesische Beinamen, hat er uns erklärt, sind immer so
blumig.“
    „Morgennebel?“ Glockner hob die Brauen.
„Dann wird er sich zu Hause fühlen in unserem November. Obschon hier Krokodile
und Krabbenfischer selten sind. Aber wer ist das nun?“
    Tim hob schon die obere Zahnreihe von
der unteren, um zu antworten. Aber Gaby war schneller.
    „Lam ist der Besitzer des
China-Restaurants Hongkong in der Altmarkt-Straße. Als Gäste sind wir dort nie.
Zu teuer. Aber der alte Lam — er ist fast siebzig — kann nicht nur toll kochen.
Er ist auch Kung Fu-Meister. Im Judo-Club ,Harte Matte’ hat er eine Kung
Fu-Vorführung gezeigt, daß unseren Assen die Augen tränten. Keiner konnte ihn
besiegen. Er hält Tim für enorm entwicklungsfähig, hat an ihm einen Narren
gefressen. Zweimal in der Woche erhält Tim neuerdings Unterricht. Kostenlos.
Auf dem Hinterhof des Restaurants — sozusagen unter härtesten Bedingungen. Dort
ist der Boden steinhart, nämlich gepflastert.“
    Interessiert hatte Glockner zugehört.
    „Was meinst du, Tim: Ist Lam eine
ehrliche Haut?“
    „Die ehrlichste aller Häute. Er kocht
,Ente Peking’ und trinkt chinesischen Tee. Mir schmeckt der. Gaby mag lieber
indischen. Natürlich werden wir Lam fragen, ob er über die Triaden was weiß.“
    Der Kommissar nickte. „Auch für uns
Bullen wäre es nützlich, wenn wir einen Informanten hätten, der sich bei seinen
Landsleuten auskennt. Allerdings — nach allem, was man über die Triaden weiß,
bleiben die völlig unter sich. Die ehrlichen Chinesen
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