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Todesgruß vom Gelben Drachen

Todesgruß vom Gelben Drachen

Titel: Todesgruß vom Gelben Drachen
Autoren: Stefan Wolf
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alle.
    Er berichtete, was sich ereignet hatte,
schilderte den schwarzledernen Chinesen und erzählte von Kommissar Glockners
Hinweis auf die Triaden.
    In Lams Faltengesicht bewegten sich nur
die kohlschwarzen Augen.
    „Auch dein Vater“, sagte er — und sah
Gaby an, „macht sich offenbar keine Vorstellung von der Gefährlichkeit dieser
Verbrecher. Die Triaden sind eine Schande für uns Chinesen. Sie bringen uns in
Verruf. Ihre Verbrechen schüren die Feindseligkeit, die uns anderen Chinesen entgegenschlägt
— vor allem in Europa. Leider begegnet man uns hier nicht mit der gleichen
Unbefangenheit wie in den USA.“
    „Ausländerfeindlichkeit“, sagte Tim, „gedeiht
am besten in leeren Köpfen. Aber wie ist das nun mit den Triaden? Hat Kommissar
Glockner recht? Wollen sich die Typen bei uns festsetzen?“
    Lams Gesicht blieb ausdruckslos. „Es
wohnen nicht viele meiner Landsleute hier in der Stadt. Meine Gäste sind
Einheimische, Deutsche vor allem.“
    Tim lächelte. „Sie weichen meiner Frage
aus, Lam. Ist es so schlimm, darauf zu antworten?“
    „Ich würde gern antworten, Tim. Aber
ich weiß nicht mehr als Kommissar Glockner. Das Gerücht besteht, seit ich hier
bin. Ein Zweig der Amsterdamer Triaden wolle den hiesigen Drogenhandel an sich
reißen. Vielleicht ist es jetzt soweit. Aber mir hat sich keiner zu erkennen
gegeben. Möglicherweise laufen die Vorbereitungen. Die Triaden planen von
langer Hand. Die kommen nicht her mit ein paar Gramm Heroin und überlassen
alles dem Zufall. Ihre Methode ist erprobt.“
    „Erprobt in anderen Städten?“ fragte
Tim.
    Lam nickte. „Die Triaden sickern
unbemerkt ein und beobachten die Drogen-Szene. Sie sind geschickt. Schon nach
kurzer Zeit kennen sie die Konkurrenz, also die anderen Dealer. Der zweite
Schritt besteht darin, die Konkurrenz auszuschalten. Durch Drohung, durch
körperliche Gewalt, durch Verrat an die Polizei. Triaden schrecken auch vor
Mord nicht zurück. Das heißt, die Opfer verschwinden und tauchen nie wieder
auf. Dann ist der Drogen-Markt frei. Die Süchtigen brauchen Nachschub. Aber es
ist niemand mehr da, der ihnen die Droge verkauft. Das treibt die Preise hoch.
Der richtige Moment für die Triaden, um einzusteigen. Natürlich haben sie
längst einen großen Vorrat der gefährlichsten Drogen hergebracht. Und somit
dehnt der Gelbe Drache sein Reich aus. Er gewinnt die Unterwelt dieser großen
Stadt.“
    „Wer?“ fragte Tim. „Der Gelbe Drache?“
    „Gelber Drache bedeutet bei uns soviel
wie Chef oder Boss. Allerdings nur in dem Sinn: Boss von Verbrechern. Jede
kriminelle Vereinigung von Chinesen hat ihren Gelben Drachen. Er befiehlt.“
    „Den Typ mit der Narbe am Mundwinkel
kennen Sie nicht?“ Lam dachte nach. Dann schüttelte er den Kopf. „Deine
Beschreibung sagt mir nichts.“
    „Wenn Sie was hören — geben Sie Herrn Glockner
dann Bescheid?“
    Lam lächelte und verbeugte sich vor
Gaby. „Es wird mir eine Ehre sein, deinem Vater zu helfen.“
    Das ist doch schon was, dachte Tim.
Jetzt am Ball bleiben! „Wir nerven Sie doch nicht, Lam, wenn wir morgen
vorbeikommen und fragen?“
    „Keineswegs. Und vergiß nicht, Tim: Am
Mittwoch erhältst du die sechste Lektion. Sie ist hart. Du wirst lernen, wie du
gefesselt am Galgen hängst und dich trotzdem verteidigst.“
    „Das hört sich ja an“, rief Gaby, „als
sollte er umgebracht werden.“
    Lams Lächeln vermehrte die Falten um
seine Mundwinkel. „So heißt die Übung: Hänge gefesselt am Galgen und mähe die
Gegner nieder mit deinen Füßen. Keine Sorge! Tim wird nicht am Hals aufgehängt.
Ich habe auch keinen Galgen, mit dem ich dienen könnte. Der Haken in der
Hofmauer muß ihn ersetzen.“
    „Darauf freue ich mich.“ Tim grinste
mit sämtlichen Zähnen. „Also am Mittwochnachmittag zur üblichen Zeit.“
    Als sie das HONGKONG verließen, sagte
Klößchen: „Wißt ihr, wie meine Lieblingsübung heißt: Sitze im bequemsten aller
Sessel und vernichte Schokolade mit deinem wölfischen Rachen.“
    „Huch!“ rief Gaby. „Jetzt habe ich
vergessen, die Torte in Lams Eisschrank zu stellen“
    „Nicht Schokolade, sondern Torte
erwartet mein wölfischer Rachen“, freute sich Klößchen.
    „Er redet uns weich“, meinte Karl — und
hauchte auf seine Brillengläser. „Um Himmels willen — gib sie ihm, Gaby! Samt
Karton. Wenn du für Adelheid eine neue backst, beteilige ich mich an den Kosten
— mit vier Wochen Taschengeld.“
    „Nein!“ sagte Gaby. „Nein, nein
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