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Todesgott

Todesgott

Titel: Todesgott
Autoren: Árni Thórarinsson
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Straße
mitzuspielen?«
    Rúnar bekommt sich wieder unter Kontrolle. »Ja. Damals hat es angefangen. Ich war noch nicht mal zehn, aber ich kann mich an alles erinnern, als wäre es gestern. Als Skarpi zurückkam, war er ein anderer Mensch. Es war so, als hätte er beschlossen, ein anderer Mensch zu sein.«
    »Was für ein Mensch?«
    »Ein Mensch, der tut, was er will. Ein Mensch, der andere dazu bringt, zu tun, was er will.«
    »War er drogenabhängig?«
    Er schüttelt den Kopf. »Skarpi hat nie Drogen genommen. Er hat nie getrunken. Er hat nicht geraucht.«
    »Das perfekte Vorbild? Der Anführer, zu dem alle aufschauen?«
    »Er wollte nichts tun, was ihn schwächen könnte. Nichts sollte ihn daran hindern, so zu werden, wie er es sich wünschte.«
    Ich muss an Karl Hjartarsons Ausführungen über die narzisstische Persönlichkeitsstörung denken. Damals war es mir nicht aufgefallen, aber jetzt fällt es mir auf. Er sagte, Persönlichkeitsstörungen führten zu Amoralität und Skrupellosigkeit, zu falschen Vorstellungen von Erfolg, Gewalt und Genialität. »Kürzlich wurde ein junger Brite, ein ausgezeichneter Schüler, des Mordes an seinen Eltern, die ihn auf Händen getragen haben, überführt«, erzählte mir Karl nebenbei. Die Eltern hatten ihren Sohn vergöttert, es aber gewagt, ihn wegen seiner Unzuverlässigkeit in Finanzdingen zu kritisieren und ihr Missfallen über die Wahl seiner Freundin zu äußern. Daraufhin hatte er das ältere Ehepaar mit einem Hammer bewusstlos geschlagen und 20- bis 30-mal mit einem Küchenmesser auf sie eingestochen, so dass die Leichen, als man sie sechs Wochen später fand, fast nicht mehr identifizierbar waren. In der Zwischenzeit hatte er mit seiner Freundin eine lange Auslandsreise auf Kosten seiner verstorbenen Eltern unternommen und plante, nach seiner Rückkehr ein Medizinstudium an der Universität aufzunehmen. »Stattdessen bekam er lebenslänglich, und es wurde eine narzisstische Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Alle hatten ihn für einen normalen, begabten jungen Mann gehalten«, erklärte der Arzt.
    »Ich war gestern Nacht bei deinen Eltern«, sage ich zu Rúnar. »Dein Vater ist medikamentenabhängig, nicht wahr?«
    Er schaut zu Boden. »Papa ist ein Versager. Ein drogenabhängiger Versager.«
    »Er hat als Pharmazeut gearbeitet, bevor er krank wurde. Bevor er von seinen eigenen Medikamenten abhängig wurde.«
    Rúnar schweigt.
    »Er war nicht das Vorbild, zu dem Skarphéðinn hätte aufschauen können. Er war ein abschreckendes Beispiel. Glaubst du, dass dein Bruder deshalb so geworden ist?«
    »Ich weiß es nicht. Aber was er in Reykjavík gelernt hat, hat ihn davon überzeugt, dass er Leute beeinflussen kann, indem er sie schwächt. Dadurch konnte er sie dazu bringen, das zu tun, was er wollte.«
    »Und er hat jemanden getroffen, der genauso dachte wie er? Gunnar Njálsson?«
    »Ja.«
    »Und Skarpi hat Gunnar überredet, ins Nordland zu ziehen. Um gemeinsam reich und mächtig zu werden? Um die jungen Leute hier in Akureyri und später auch die Erwachsenen zu dominieren.«
    »Ja.«
    »Und dann sollte die Grenze weiter nach Osten verlegt werden. Der Markt vergrößert werden. Globalisierung und so.«
    Er antwortet nicht; das war ja schließlich auch keine Frage.
    »Skarphéðinn hat die meisten Etappensiege in seinem Handykalender dokumentiert. Aber hat er dir das auch alles erzählt? Hast du diese Entwicklung mitverfolgt?«
    »Von Anfang an. Erst hat er Medikamente von Papa geklaut und verkauft. Hat Mama im Krankenhaus besucht und da was mitgehen lassen. Und Mama …«
    »Deine Mutter wurde in den Teufelskreis hineingezogen. Erst die Abhängigkeit deines Vaters, und dann missbrauchte ihr Sohn dieselben Medikamente auf ganz andere Weise. Und sie hat beides totgeschwiegen.«
    Seine Augen werden wieder feucht. »Mama konnte nicht … Und dann hat sich Skarpi ganz woanders Stoff besorgt, um …«
    »Er brauchte größere Mengen und eine breitere Auswahl. Hat Gunnar das Zeug regelmäßig aus Reykjavík beschafft?«
    Rúnar nickt.
    »Eure Eltern haben vor zehn, fünfzehn Jahren alles verloren. Hing das mit der Sucht deines Vaters zusammen?«
    »Ja.«
    »Und Skarphéðinn wollte ihnen mit diesem bitter verdienten Geld helfen? Das, was sie aus der Bahn geworfen hatte, sollte die Grundlage für ein neues Leben werden?«
    »Mama hat nie was von ihm angenommen. Sie haben sich heftig darüber gestritten. Sie nannte ihn Drogenteufel.«
    »Hat Skarpi dir immer alles
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