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Todesgott

Todesgott

Titel: Todesgott
Autoren: Árni Thórarinsson
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ich mit moderner Magie. Wenn Loftur heute leben würde, würde er genau dasselbe tun wie ich. Wir sind beide Menschen, die zu Göttern ihres eigenen Daseins werden.«
    »Und beide sind untergegangen?«
    Er schaut weg.
    »Und jetzt soll ich die Rolle übernehmen.«
    »Den Loftur spielen?«
    »Meinst du, ich sollte es machen?«
    »Das wäre ziemlich sarkastisch«, erwidere ich und füge nach kurzem Überlegen hinzu: »Vielleicht sogar befriedigend im Sinne einer höheren Gerechtigkeit.«
    Rúnar schweigt.
    »Was ist dann passiert?«
    »Es war Mord!«, platzt er laut heraus und schlägt mit der geballten Faust auf den Tisch. »Er war an einem kaltblütigen Mord beteiligt!«
    Ja, es war Mord, denke ich. So kaltblütig, wie ein Mord nur sein kann. »Ist nicht alles möglich, wenn die Bezahlung stimmt?«
    »Er hat nicht auf mich gehört«, sagt Rúnar, der von seiner plötzlichen Wut vollkommen überwältigt wird. »Ich hab ihm gesagt, er soll damit aufhören. Er hat nur erwidert: ›Ich unterliege keinen Gesetzen. Ich bestimme, was ich tue. Andere bestimmen, was sie tun.‹ Ich bin … ich bin so wütend geworden, dass ich mich auf ihn gestürzt habe. Aber er hat nur gelacht und mich wie einen kleinen Hund getätschelt.«
    »In seinem Handykalender steht, dass er die Spannung genossen hat. Die Gefahr.«
    Rúnar schaut mich erstaunt an. »Genau. Genauso war es. Er hat die Gefahr genossen. Hat es genossen, zu sehen, wie weit er gehen kann. Ohne Rücksicht auf Verluste.«
    »Da steht auch, du hättest eurer Mutter von der Sache erzählt.«
    Er sagt nichts.
    »Und sie hätte sich vor Sorge und Wut zerfleischt.«
    »Sie hat gesagt, Skarpi wäre zu weit gegangen. Er sei völlig realitätsfremd. Sie hätte keine Kinder großgezogen, damit sie anderen Menschen das Leben nehmen. Aber er hat sie nur ausgelacht, so wie mich.«
    »An diesem Abend, an dem Abend vor Gründonnerstag, da warst du mit ihm bei der Party.«
    »Ich war mit Solla da. Skarpi hat sich wie ein Irrer aufgeführt. In dieser bescheuerten Kutte und …«
    »Die Typen aus Reyðargerði haben ihn blöd angemacht, und er hat darauf mit irgendwelchen rassistischen Sprüchen reagiert.«
    Er schüttelt den Kopf. »Das war nur Show. Sie haben so getan, als würden sie sich nicht kennen, und eine Szene gespielt. Skarpi hat sich dabei köstlich amüsiert.«
    Rúnar verstummt und wirkt sehr nachdenklich.
    Ich lasse es darauf ankommen. »Wenn ich sagen würde, dass Skarphéðinn an diesem Abend dein Vertrauen missbraucht hat, wäre das falsch?«
    Er schaut mich an, nicht mehr verwundert, sondern angstvoll. »Was meinst du damit?«
    »Dein Bruder wollte einen Liebeszauber durchführen, hat sich Schamhaare ausgerissen …«
    Er erstarrt.
    »… und Wimpern, sie angezündet und einem Mädchen ins Glas getan. Kurz darauf war er mit einem Mädchen im Bett. Ich weiß nicht, mit welchem, aber …«
    »Dafür hätte er keinen Liebeszauber gebraucht. Solla hat alles getan, was er wollte.«
    »Stand sie unter Drogen?«
    »Sie stand jeden Tag unter Drogen. Auch bei der Party. Aber vielleicht wären keine Drogen nötig gewesen. Vielleicht hat sie genau das gewollt. Vielleicht wollte sie nichts lieber als das.«
    Er vergräbt sein Gesicht in den Händen. »Sie war von ihm schwanger.«
    Es fällt mir schwer, weiterzumachen. Ich habe mich selten so schlecht gefühlt. Ich habe selten jemanden gesehen, der sich so schlecht fühlte.
    Nach einer langen Pause sage ich: »Warum seid ihr zum Schrottplatz gefahren?«
    Er schweigt, sagt aber dann: »Ich hab ihn gefragt, warum er das getan hat. Warum er mir das angetan hat. Warum er Solla das angetan hat. Und weißt du, was er geantwortet hat?«
    »Weil es in meiner Macht stand.«
    Trotz seiner Wut und seines Schmerzes macht er ein verblüfftes Gesicht. »Woher weißt du das? Was geht hier eigentlich vor?«
    »Tja«, murmele ich, »es ist mein Job, die Entwicklung der isländischen Gesellschaft zu verfolgen. Außerdem gibt der Kalender einen ziemlich guten Einblick in die Gedankenwelt deines Bruders.«
    Rúnar schaut mich lange an. Dann scheint er eine Entscheidung zu fällen. »Ich bin total zusammengebrochen. Er hat mich in den Arm genommen und gesagt: ›Komm, Bruder, wir verlassen diese ausweglose Gesellschaft.‹ Ich hab gesehen, dass Solla wie tot oder bewusstlos im Bett lag, und hab gesagt: ›Sollen wir sie nicht wenigstens nach Hause bringen?‹ Aber Skarphéðinn hat nur erwidert: ›Beruhige dich. Du bist Herr über dein Leben. Andere
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