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Todesgott

Todesgott

Titel: Todesgott
Autoren: Árni Thórarinsson
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    Hierdurch wird die Wahrheit ans Licht kommen, ihr Idioten!

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27
    Einige Wochen später
    Ich habe dir so viel gegeben; ich kann nicht von dir lassen. Du musst gut zu mir sein, Loftur. Alle meine Vorfahren sind leidenschaftlich – und schwermütig. Ich weiß nicht, ob ich es erdulden könnte, wenn du mich enttäuschst … Ich glaube, ich brächte mich um.
    Die junge Schauspielerin verkörpert die Rolle der Steinunn voller Hingabe. Die ewige Dreiecksbeziehung wütet und tobt auf der Bühne wie im Leben.
    Ich kenne das Stück so gut, dass ich instinktiv meine Lippen zum Text der Schauspieler bewege. Und als Loftur kurz darauf mit vernichtendem Blick sagt:
    Ich wünschte, du wärest tot!,
    muss ich an denjenigen denken, der keinen sehnlicheren Wunsch hatte, als auf der Bühne zu stehen und diese Worte vorzutragen.
    Meine Wünsche sind gewaltig und grenzenlos. Und am Anfang war der Wunsch. Die Wünsche sind die Seelen der Menschen.
    Diese Sätze hatte Skarphéðinn aus dem alten Text zitiert.
    Ich werfe einen Blick über meine Schulter und entdecke Hauptkommissar Ólafur Gísli Kristjánsson mit seiner attraktiven Ehefrau in der Reihe hinter mir. Er ist völlig von dem Stück gefangen und sieht mich nicht.
    Er hat erfolgreich Gebrauch von der SIM -Karte gemacht, die ich ihm zusammen mit Instruktionen für den Geheimcode feierlich überreicht habe. Gunnar Njálsson sitzt im Gefängnis. Ebenso die drei Jungs aus Reyðargerði. Sie warten auf ihr Urteil im Namen des Volkes.
    Nichts ist so schmerzhaft, wie zu erfahren, dass der, dem man sein Herz und seinen Geist geschenkt hat, ein Schuft ist.
    Als Steinunn diese Worte an ihren Geliebten richtet, schaue ich zu der Frau auf meiner linken Seite – eine der beiden Frauen, die auf meine Einladung hin hier sind. Gunnhildur Bjargmundsdóttir hat sich fein herausgeputzt und Lippenstift aufgelegt. Sie scheint fasziniert zu sein von dem Schauspiel auf der Bühne, so wie die
Springfield-Story-
Mafia vom Fernsehgerät. Ich lächle innerlich, als ich an den Moment denke, als ich ihr von Ásgeir Eyvindarsons Verhaftung wegen Mordverdachts an seiner Frau erzählt habe. Nicht, weil diese Neuigkeit Anlass zur Freude wäre, sondern weil die alte Dame sich verwandelte. Sie war nicht mehr länger alt und bedeutungslos und verkalkt und unzurechnungsfähig. Sie war Gunnhildur Bjargmundsdóttir, ein vollberechtigtes Mitglied der Gesellschaft, das ein Recht auf eine Meinung hat. Weder abgeschrieben noch ausgemustert. Und das Wichtigste: Sie war eine Mutter, die Gerechtigkeit für den Tod ihrer Tochter erlangt hatte.
    »Wie hast du das Rätsel gelöst, mein Junge?«, fragte sie.
    »Mit den Mobiltelefonen«, antwortete ich.
    Ihr Gesicht hellte sich auf. »Aha«, sagte sie und hob ihren gekrümmten Zeigefinger in die Luft. »Hab ich’s nicht gesagt?«
    »Ja. Du hast es gesagt.«
    »So ist es heutzutage. Alles liegt in diesen … diesen …«
    »Molekülen?«
    »So ist es. Genau.«
    Ich nickte. »Die Antworten liegen in den Molekülen.«
    Gunnhildur beugte sich zu mir, legte ihre runzelige Hand auf meine und flüsterte: »Wenn man bedenkt, wie dumm du manchmal sein kannst, mein Junge, bin ich mir sicher, dass die Gentlemen Morse und Taggart jetzt stolz auf dich wären.«
    Das freute mich sehr.
    Die alte Frau schaute mich mit ihren wasserblauen Augen an und lächelte, so dass sich kleine Fältchen um ihre Augen bildeten. »Ich bin sogar selbst ein bisschen stolz auf dich.«
    Das freute mich noch mehr.
    »Aber vergiss nicht, Gunnhildur«, sagte ich und legte meine andere Hand auf ihre, »dass weder Morse noch Taggart ohne ihre hartnäckigen Assistenten irgendetwas zustande bringen würden.«
    Am Jüngsten Tag erblickst du ein Gesicht, das genauso aussieht wie deins, aber von Sünden und Passionen entstellt ist,
    sagt Steinunn zu Loftur.
    Ich blicke zu der Frau auf meiner rechten Seite. Gunnsa ist die Unschuld in Person. Ob ihr Gesicht am Jüngsten Tag ebenso sein wird wie meins? Von Sünden und Passionen des Lebens gezeichnet?
    Vor uns in der ersten Reihe sitzt Jóna Rúnarsdóttir. Von hinten wirkt sie standhaft und entschlossen.
    Wer sich nichts sehnlicher wünscht als den Tod eines anderen Menschen, der neige sein Haupt, schaue zu Boden und spreche: »Du, der du in ewiger Finsternis lebst! Mein Wille werde dein Wille! Töte diesen Menschen! – Und ich schwöre, im Namen der Heiligen Dreifaltigkeit; im Namen der Sonne, welche der Schatten Gottes ist; im Namen des
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