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Todesgarten

Todesgarten

Titel: Todesgarten
Autoren: Stefan Holtkötter
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Wetterlage eben, er hatte das schon oft erlebt. Am
besten, man meldete sich an so einem Tag einfach krank. Aber dafür war es jetzt
wohl zu spät.
    Vor ihm lag das Zentrum des Stadtparks, der Große
Stern. Ein mehrspuriger Verkehrsring, der die Siegessäule umschloss. Völlig
unbeeindruckt vom Chaos der City ragte die goldene Figur der Siegesgöttin in
den Himmel. Herzberger hielt nach den Polizeisperren Ausschau. Er war am Ziel
angekommen, hier war der Leichenfundort.
    Eine Ansammlung von Fotografen und Reportern drängte
sich vor den Absperrungen. Es waren hauptsächlich bekannte Gesichter der
Lokalpresse. Sie belauerten das Torhäuschen und den dahinterliegenden
Parkeingang, durch den Männer jeden Alters in Anzügen wie Freizeitkleidung
geführt wurden. Schutzpolizisten leiteten sie an der Presse vorbei zu den
Gruppenwagen, in denen die Personalien aufgenommen werden würden. Die Männer
sahen erschrocken in die aufflammenden Blitzlichter, die meisten hielten sich
die Hände vors Gesicht oder zogen ihre Jacken über den Kopf. Sie sahen aus wie
angeklagte Pädophile auf dem Weg zum Gericht.
    Wolfgang Herzberger schaltete das Martinshorn ein und
rollte mit dem Wagen sacht in die auseinanderstürzende Pressemeute. Dann parkte
er so, dass sein Auto den Fotografen ein größtmögliches Hindernis war.
Vorsichtig öffnete er die Tür und stieg aus. Sofort war er umringt von Reportern.
Nur nicht beirren lassen, dachte er und umrundete den Wagen mit bedächtigen
Schritten. Es war wie der Gang über ein Krötenfeld. Du musst nur langsam gehen
und achtgeben, wohin du trittst, dann kann nichts passieren.
    Hinter der Absperrung wartete Werner Katolla, der Inspektionsleiter,
auf ihn. Trotz der Hitze trug er einen seriösen dunklen Anzug. Seine akkurat
gebundene Krawatte schien ihm die Luft abzuschnüren, aber er war ganz offensichtlich
entschlossen, sich vom Wetter nicht kleinkriegen zu lassen.
    Â»Wolfgang, da bist du ja endlich«, begrüßte er ihn.
»Wo warst du denn so lange?«
    Wolfgang Herzberger dachte an das endlose Gezerre um
die Einsatzkräfte. Er winkte ab und stieß ein Brummen aus. Das musste als
Antwort reichen. Dann sah er sich um. Ein schmaler Trampelpfad führte vom
Gehweg hinter das Torhäuschen und verlor sich nach wenigen Metern in der
Dunkelheit. Im Blätterwerk dahinter funkelten Taschenlampen und weiter entfernt
die Strahler der Spurensicherung.
    Â»Was wissen wir bisher?«, fragte er.
    Kotalla führte ihn zum Parkeingang. »Männliche Leiche,
vermutlich Tod durch Fremdeinwirken. Wie’s aussieht, stumpfe Gewalt.
Schlagverletzungen am Kopf, starke Blutungen aus Nase und Mund. Die
Rechtsmedizin ist noch hier.«
    Â»Haben wir seine Identität?«
    Â»Nein, er hat nichts bei sich getragen. Vielleicht ja
ein Raubüberfall.« Als sie zwischen die Bäume traten, hielt Kotalla ihn am
Ärmel fest. »Warte, dann gewöhnen sich deine Augen an die Dunkelheit.«
    Wolfgang Herzberger starrte in die Schwärze. Es dauerte
einen Moment, aber dann traten die weißen Bänder der Spurensicherung hervor.
Immer mehr Einzelheiten wurden sichtbar. Vor ihnen raschelte es. Eine
Polizistin tauchte mit einer Taschenlampe auf, die sie ins Unterholz richtete.
    Â»Hören Sie! Ich muss Sie bitten, mit mir den Park zu
verlassen. Wir müssen Ihre Identität feststellen. Bitte leisten Sie keinen
Widerstand.«
    Das Rascheln wurde hektischer, dann entfernte es sich.
Die Polizistin stieß einen Fluch aus und nahm die Verfolgung auf.
    Â»Keine Sorge«, sagte Kotalla. »Der Park ist
abgeriegelt. Hier kommt keiner ungesehen heraus.«
    Â»Was ist mit dem Auffindungszeugen?«
    Kotalla schüttelte den Kopf. »Der war schon weg. Seine
Identität ist unbekannt, aber er hat die Einsatzzentrale über die Notrufsäule
alarmiert.«
    Wolfgang erinnerte sich, wie diese Notrufsäule vor einigen
Jahren im Park platziert worden war. Sie sollte die Sicherheit auf dem Gelände
erhöhen. Das Areal war ein bekannter Treffpunkt für schwule Männer, die – wie
es der Einsatzleiter damals vorsichtig formuliert hatte – sich hier der
schnellen Liebe hingaben. Es war eine der vertrauensbildenden Maßnahmen, mit
denen die Polizei die Homosexuellen zur Kooperation bewegen wollte mit dem
Ziel, schwulenfeindliche Straftaten einzudämmen.
    Kotalla führte Wolfgang Herzberger an das Ende des
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